In einer brandneuen Entscheidung vom 16.4.2015 hat das LSG Mainz (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz) (Az.: L 5 KR 254/14) entschieden, dass ein Auszahlschein für Krankengeld, in dem ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeit “bis auf Weiteres” bescheinigt, keine zeitliche Begrenzung enthält. Ebenso wenig ist ein in der Bescheinigung etwaig angegebener nächster geplanter Untersuchungstermin als Endzeitpunkt anzusehen, der die Krankenkasse zur Einstellung der Krankengeldzahlung berechtigen würde.

 

Dem Urteil des Landessozialgerichts lag folgender, verkürzter Sachverhalt zu Grunde: Weiterlesen

Das Landessozialgericht Sachsen hat in seinem Urteil vom 15.11.2011 entschieden, wann die Krankenkasse und wann die Rentenversicherung die Kosten für ein Hörgerät zu tragen haben.

So trägt die Rentenversicherung die Kosten, wenn die Hörhilfe ausschließlich für den beruflichen Alltag gebraucht wird (vgl. §§ 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB XI i.V.m. § 16 SGB VI), während die Krankenkasse die Kosten übernimmt, wenn die Hörhilfe dem Ausgleich der Behinderung dient (vgl. §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 S. 1 SGB V)

[box type=”info”]KEINE ANGST: Sollten Sie den Antrag fälschlicher Weise bei der Rentenversicherung beantragt haben, obwohl die Krankenkasse eigentlich zuständig ist, muss die Rentenversicherung Ihren Antrag binnen 2 Wochen an die zuständige Stelle weiterleiten, sonst wird die Rentenversicherung nach § 14 SGB IX für den Antrag zuständig.[/box]

[box type=”alert”]WICHTIG: Beantragen Sie vor dem Kauf Ihres Hörgeräts eine Kostenerstattung bei Ihrer Krankenkasse oder Rentenversicherung, ansonsten bleiben Sie auf ihren Kosten sitzen.[/box]

Landessozialgericht Sachsen, Urteil vom 15.11.2011

Wer seine Arme und/oder Hände nicht in vollem Umfang einsetzen kann, um alltägliche Aufgaben zu erledigen, muss ein hohes Maß an Kreativität und Durchhaltewillen entwickeln, um individuelle Lösungsmuster zu finden. Leider führt das Ausweichen auf andere Körperteile wie Füße oder Zähne jedoch ggf. zu deren vorzeitigem Verschleiß und somit zu weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Das Sozialgericht Aachen hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob ein Contergan-Geschädigter einen Anspruch auf Kostenübernahme für Zahnimplantate gegen seine gesetzliche Krankenversicherung hat (Urteil vom 01.02.2011, Az.: S 13 KR235/10).

Gesetzliche Krankenkassen zahlen grundsätzlich nicht für Zahnimplantate

Das SG Aachen weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass die gesetzliche Krankversicherung normalerweise keine „implantologischen Leistungen” bezahlt. Eine Ausnahme gelte nur unter bestimmten Voraussetzungen, die in der Behandlungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) aufgelistet seien (sog. Ausnahmeindikationen).

Aber auch eine der dort genannten Ausnahmeindikationen genügt für sich allein genommen noch nicht, um einen Kostenübernahmeanspruch zu begründen. Zusätzlich müsse die Insertion von Zahnimplantaten aus zahnmedizinischer Sicht die einzig in Frage kommende Behandlungsmöglichkeit sein. Kann also stattdessen auf „klassische” Zahnprothesen o.Ä. ausgewichen werden, scheidet ein Kostenanspruch trotz der Ausnahmeindikation aus.

Der Ausgangsfall

Geklagt hatte ein Contergan-Opfer, dessen Greiffunktionen seiner Hände erheblich beeinträchtigt sind. Er behilft sich im Alltag deswegen, indem er stattdessen auf seine Zähne ausweicht, um z.B. Flaschen zu öffnen.

Dadurch kam es bei dem Kläger zu Zahnschäden, weswegen er entweder ein Gebiss oder Zahnimplantate brauchte. Auf Grund seiner conterganbedingten Einschränkungen ist er jedoch nicht in der Lage, einen herkömmlichen Zahnersatz einzusetzen und z.B. zum Reinigen wieder herauszunehmen. Deshalb beantragte er Kostenübernahme für Zahnimplantate, leider jedoch ohne Erfolg…

Keine Ausnahme für Contergan-Geschädigte

Das SG Aachen nimmt zwar zu Kenntnis, dass Menschen, die infolge einer Behinderung ihre Hände nur eingeschränkt oder gar nicht benutzen können, verstärkt auf ihre Zähne ausweichen (müssen). Die Conterganschädigung habe daher in erheblichem Maße zu der Behandlungsbedürftigkeit des Klägers beigetragen.

Dennoch könne der Kläger von seiner gesetzlichen Krankenversicherung keine Kostenübernahme verlangen. Obwohl er nicht in der Lage sei, selbstständig ein Gebiss zu verwenden, sei kostenrechtlich allein von Interesse, ob Zahnimplantate aus zahnmedizinischer Sicht die einzig mögliche Behandlungsart seien. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall.

Das Gericht verweist den Kläger deshalb an den Staat. Dieser habe an Stelle der gesetzlichen Krankenversicherung für die besonderen Bedürfnisse Contergan-Geschädigter Sorge zu tragen. Denkbar sei insoweit, den Leistungskatalog der „Conterganstiftung für behinderte Menschen” auszuweiten, weil die Zahnschäden des Klägers letztlich ein Folgeschaden der Conterganschädigung seien. Auch eine steuerfinanzierte Lösung hält das Gericht für möglich.

Nur ist dem Kläger damit leider noch lange nicht geholfen… Es verwundert deshalb nicht, dass er gegen dieses Urteil Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt hat.

Viele stark übergewichtige Menschen sehen eine operative Magenverkleinerung durch Anlegung eines Magenbandes als letzten Ausweg, um endlich ihr Traumgewicht erreichen zu können. Bei der Kostenübernahme zeigen sich die Krankenkassen mitunter jedoch alles andere als spendabel.

So hat das Sozialgericht Dortmund mit Urteil vom 31.08.2010 (Az.: S 40 KR 313/07) entschieden, dass Krankenkassen die Operationskosten nur dann übernehmen müssen, wenn zunächst eine integrierte Adipositastherapie durchgeführt wurde. Diese Therapie müsse mindestens ein halbes bis ein ganzes Jahr lang dauern und Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensfragen umfassen.

Der vorgelegte Fall betraf eine 49jährige Frau (Klägerin), die infolge ihres Übergewichts an Diabetes mellitus sowie Knie- und Wirbelsäulenproblemen litt. An einer sog. „multimodalen Adipositastherapie” hatte sie zwar nicht teilgenommen, wohl aber an speziellen Diät-Programmen. Nun begehrte sie von ihrer Krankenversicherung (Beklagte) die Kostenübernahme für eine „minimalinvasive operative Magenverkleinerung”. Diese verweigerte jedoch die begehrte Sachleistung, woraufhin es zum Rechtsstreit kam.

Das SG Dortmund entschied, dass die Klägerin zunächst alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausschöpfen müsse, bevor sie eine operative Magenverkleinerung einfordern könne. Nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft zur Prävention und Therapie zähle zu diesen vor allem eine umfassende Adipositastherapie. Der Besuch von Diät-Programmen sei nicht als gleichwertig anzusehen, weil sie „nur” auf die Gewichtsreduktion angelegt seien, aber keine Elemente einer Verhaltens- oder Bewegungstherapie enthielten. Zudem sei die medizinische Kontrolle und Beratung, gerade auch in Ernährungsfragen, nicht in vergleichbarem Umfang gewährleistet. Daher müsse die Klägerin zunächst an einer multimodalen Adipositastherapie teilnehmen und ggf. dann eine Magenverkleinerung beantragen.

Ihre Klage wurde daher als unbegründet abgewiesen.

Der allgemein vorherrschende Sparzwang führt leider dazu, dass gesetzliche Krankenkassen, wenn es um die Kostenerstattung von Hilfsmitteln geht, genau hinsehen (müssen), ob sie überhaupt zur Kostenübernahme verpflichtet sind.
Nach einem Urteil des Landessozialgerichts NRW vom 24.06.2010 (Az.: L 16 KR 45/09) können erwachsene Gehbehinderte z.B. nicht Kostenerstattung für ein selbst erworbenes Rollstuhlbike („Speedy-Bike“) bzw. einen Elektrorollstuhl verlangen, solange es ihnen noch zumutbar ist, sich in einem Radius von 500m um ihre Wohnung herum mit einem herkömmlichen Rollstuhl fortzubewegen.

Das Gericht beruft sich dabei im Ausgangspunkt auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der Behinderte gemäß § 33 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nur solche Hilfsmittel beanspruchen können, auf die sie zur Befriedigung ihrer täglichen Grundbedürfnisse angewiesen sind. Demnach sei die Krankenversicherung nur für die Schaffung eines „Basisausgleichs“ verpflichtet, der dem Betroffenen zumindest eine gewisse Mobilität ermöglicht. So müsse grundsätzlich jeder in die Lage versetzt werden, typische Alltagsgeschäfte wie Einkäufe, Bank- oder Postgeschäfte, Arztbesuche etc. selbst tätigen zu können – mehr aber auch nicht.
Die Wegstrecken, die jemand zurücklegen muss, um diese Dinge tatsächlich erledigen zu können, variieren naturgemäß ganz erheblich. Daher kann nach Ansicht des Gerichts nur abstrakt bestimmt werden, in welchem Gebiet Fortbewegung möglich und zumutbar sein muss. Konkret wendet es einen in der Rechtsprechung zum Rentenversicherungsrecht entwickelten Maßstab an, nach dem eine Entfernung von 500 m zum sog. „Nahbereich“ zählt. Entsprechend genüge es daher, wenn sich eine gehbehinderte Person mit Hilfe eines Aktiv- bzw. Greifrollstuhls zumindest noch in dem genannten Radius um ihre Wohnung herum bewegen könne.
Allerdings scheint das Gericht auch ein wenig „Angst vor der eigenen Courage“ zu haben: Da das BSG bislang nicht definiert habe, in welchem räumlichen Umfang die Mobilität der Betroffenen durch medizinische Hilfsmittel (wieder)hergestellt werden muss, hat das LSG NRW nämlich die Revision zum Bundessozialgericht ausdrücklich zugelassen.
Daher bleibt für Betroffene leider weiterhin unklar, ob sie einen Anspruch auf Kostenerstattung für Elektrorollstühle etc. wirklich erst dann haben, wenn sie sich andernfalls nicht mehr in einem Radius von 500 m um ihre Wohnstätte frei fortbewegen können…

Viele Menschen sind beruflich wie auch privat auf Sehhilfen angewiesen, die bekanntlich nicht gerade billig sind. Das gilt vor allem für Gleitsichtbrillen, da sie gleichzeitig Lang- und Kurzsichtigkeit ausgleichen, hierzu mindestens zwei unterschiedliche Sehbereiche aufweisen und deshalb in der Konsequenz teurer sein müssen als „normale“ Brillen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.07.2010 hat das Sozialgericht Dortmund (Az.: S 26 R 309/09) entschieden, dass ein Arbeitnehmer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) keine Kostenübernahme für eine Gleitsichtbrille – als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Sozialgesetzbuch VI und IX – verlangen kann, wenn er die Sehhilfe nicht nur beruflich, sondern auch privat nutzen möchte bzw. kann.

Ein arbeitsuchender Industriekaufmann (Kläger) wollte mittels einer Gleitsichtbrille seine vorhandene Sehbehinderung ausgleichen, um wieder vollständig arbeitsfähig zu werden. Ohne diese Brille habe er Schwierigkeiten beim Lesen, was wiederum der Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit entgegen stehe. Er verklagte daher die DRV auf Kostenübernahme.
Das SG Dortmund wies seine Klage jedoch ab, weil Leistungen der DRV zur Teilhabe am Arbeitsleben nur solche Hilfsmittel erfassten, die für eine spezielle berufliche Tätigkeit erforderlich seien. Könne das Hilfsmittel darüber hinaus auch zu anderen Zwecken genutzt werden, sei eine Kostenübernahme nicht möglich. Letzteres sei bei dem Kläger aber der Fall, da er die Brille auch privat zum Lesen nutzen könnte.
Im Übrigen sei die Sehbehinderung des Klägers auch nicht so gravierend, dass er einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine Gleitsichtbrille gegen seine Krankenversicherung habe. Auch dieser Umstand sei zu berücksichtigen gewesen und spreche gegen einen entsprechenden Anspruch des Klägers, eine Gleitsichtbrille zu erhalten.

Bei der Fibromyalgie handelt es sich um ein Schmerzsyndrom, das vor allem den Bewegungsapparat beeinträchtigt. Betroffene leiden unter Schmerzen, die an manchen Körperstellen, den sog. tender points, besonders häufig auftreten, ohne dass eine (andersgeartete) Erkrankung als Schmerzursache nachgewiesen werden könnte. Uneinigkeit besteht (noch) hinsichtlich der Therapie der Fibromyalgie wie auch bezüglich ihrer schwerbehindertenrechtlichen Einordnung.

Sollte Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind, zu einem bestimmten Eingriff oder einer bestimmten Therapie geraten werden, sollten sie jedenfalls zuvor unbedingt mit ihrer Krankenkasse die Kostentragung abklären. Dies ist die Lehre, die aus einem Beschluss des Bundessozialgerichts vom 01.04.2010 (Az.: B 1 KR 114/09 B) gezogen werden kann.

Eine 1951 geborene Frau (Klägerin) litt unter Fibromyalgie und unterzog sich daher in der Schweiz einer ambulanten Quadranteninterventionsoperation. Darüber unterrichtete sie ihre gesetzliche Krankenversicherung (Beklagte) aber erst im Nachhinein, verbunden mit dem Wunsch, die Beklagte möge die entstandenen Behandlungskosten übernehmen. Diese lehnte jedoch ab. Die Klägerin scheiterte im Folgenden sowohl vor dem Sozial- als auch vor dem Landessozialgericht; die Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. Daraufhin erhob sie Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG, da die Klärung ihres Rechtsstreits von allgemeiner Bedeutung sei. Weiterlesen

Viele Menschen leiden gerade mit fortschreitendem Alter an einer sog. Makuladegeneration. Diese Krankheit existiert in zwei Formen, der sog. trockenen und feuchten Makuladegeneration.

Das Sozialgericht Aachen hat am 11.03.2010 ein Urteil gesprochen, das die Ansprüche von Patienten betrifft, die an der feuchten Variante leiden (Az.: S 2 (15) KR 115/08 KN). Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung der Augen, bei der Blutgefäße in die Netzhaut einwachsen, wodurch die Sehkraft rasch schwindet. Häufig kommt es zur Erblindung.

Dem oben genannten Urteil zufolge gibt es nur ein Medikament, das zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration in Deutschland zugelassen ist, nämlich „Lucentis“. Dennoch gibt es Ärzte, die stattdessen das Mittel „Avastin“ einsetzen, obwohl dieses nur zur Behandlung bestimmter Krebserkrankungen zugelassen ist. Die Verwendung von „Avastin“ außerhalb seiner Zulassung stellt daher einen sog. „Off-label-use“ dar, was bedeutet, dass die gesetzlichen Krankenkassen (zumindest im Normalfall) nicht zur Kostenübernahme verpflichtet sind.

In dem vom SG Aachen entschiedenen Fall ging es aber um das genaue Gegenteil: Weiterlesen