Arbeitsunfälle beschäftigen in regelmäßigen Abständen die Sozialgerichtsbarkeit. Bei diesen handelt es sich gemäß § 8 I 1 SGB VII um Unfälle, die gesetzlich Unfallversicherten bei der Ausübung einer nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII versicherten Tätigkeit widerfahren. Ein Unfall ist dabei nach § 8 I 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes Ereignis, das äußerlich auf den Körper des Unfallopfers einwirkt und einen Gesundheitsschaden oder den Tod herbeiführt. Hinzukommen muss u.a., dass zwischen der im Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung und der versicherten Tätigkeit ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang bestehen muss.
Gerade dieser kann aber fraglich sein, wenn sich ein Arbeitsunfall anlässlich einer sog. betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ereignet. Mit dieser Problematik beschäftigt sich ein Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26.02.2009 (Az.: L 2 U 53/08), in dem es zu der Erkenntnis kommt, dass auch Unfälle anlässlich von Weihnachtsfeiern Arbeitsunfälle sein können.
Das Gericht berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der die Teilnahme an Betriebsfeiern, -ausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen noch dem Unternehmen und der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden könne. Dies sei allerdings, da es sich insoweit um reines Richterrecht handelt, nur unter engen Voraussetzungen möglich. Daher sei zu fordern, dass die Veranstaltung der „Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander“ dient, und dass sie von der Unternehmensleitung „selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und/oder jedenfalls von ihrer Autorität“ getragen wird.
In diesem Sinne von der Autorität des Unternehmens getragen sei eine betriebliche Veranstaltung, wenn ihr Veranstalter nicht ausschließlich in Eigeninitiative, sondern stattdessen (auch) einvernehmlich mit der Unternehmensleitung zusammen oder für diese handelt. Es genügt daher, wenn die Unternehmensleitung die Veranstaltung billigt und fördert, während Organisator stattdessen z.B. der Betriebsrat, eine Gruppe von Arbeitnehmern oder einzelne Beschäftigte sein können. Auch eine permanente Anwesenheit der Unternehmensleitung sei nicht erforderlich.
Da die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung die innerbetriebliche Verbundenheit fördern soll (s.o.), muss sie zusätzlich grundsätzlich allen Angestellten offen stehen. Ausnahmen lässt das Bundessozialgericht aber z.B. bei Großbetrieben und Versorgungsunternehmen zu. Unter Berufung auf den genannten Sinn und Zweck des gemeinsamen Feierns, lässt das LSG Sachsen in der zitierten Entscheidung desweiteren dann eine Ausnahme vom Grundsatz der „gesamtbetrieblichen“ Veranstaltung zu, wenn jede Abteilung eines Unternehmens eine vergleichbare Veranstaltung durchführt. Denn dann seien weder einzelne Arbeitnehmer noch Abteilungen benachteiligt oder ausgeschlossen, sodass auch auf diesem Wege insgesamt die Verbundenheit der Belegschaft zum Unternehmen gefördert werden könne. Dies sei vielmehr unter Umständen gerade in kleinen Gruppen eher möglich, als bei Massenveranstaltungen des Gesamtbetriebes (Dies leuchtet gerade bei Weihnachtsfeiern ein, die grundsätzlich besinnlichen Charakters sein sollten.).
In dem zu entscheidenden Fall stritten eine Lohnbuchhalterin (Klägerin), die bei einer Stadtverwaltung angestellt ist, und ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Beklagter) um die Anerkennung eines Sturzes als Arbeitsunfall. Am 30.11.2004 beging das städtische Hauptamt, bei dem die Klägerin beschäftigt ist, seine alljährliche Weihnachtsfeier in einer Gaststätte mit Kegelbahn. Anwesend waren 15 der 17 Angestellten inklusive des Hauptamtleiters, sowie der frühere und Anfang 2004 aus dem Amt geschiedene Bürgermeister. Als die Klägerin gegen 21:15 Uhr mit zwei Kolleginnen die Gaststätte verließ, übersah sie vier Stufen, die zum Parkplatz führten, stürzte und verletzte sich an Knie und Schulter. Der Beklagte ist der Auffassung, dieser Unfall sei kein Arbeitsunfall, u.a., weil nicht alle städtischen Angestellten beteiligt waren, und weil sich der amtierende Bürgermeister nicht hinreichend an der Organisation beteiligt habe. Dem hielt die Klägerin wie auch der amtierende Bürgermeister entgegen, dass der Leiter des Hauptamtes anstelle des Bürgermeisters die Teilnehmer im Namen der Stadtverwaltung begrüßt und ihnen für ihre Arbeitsleistung gedankt hatte. Der Bürgermeister fügte u.a. hinzu, dass er die bisherige betriebliche Übung, eine Weihnachtsfeier zu veranstalten, gutheiße, und dass er von der geplanten Veranstaltung gewusst habe. Benachteiligt oder ausgeschlossen sei im Übrigen niemand, da alle Ämter der Stadtverwaltung ihre eigene Weihnachtsfeier veranstalteten.
Das LSG Sachsen kam unter Berufung auf die oben genannten Grundsätze zu dem Ergebnis, dass zwischen der Teilnahme an einer Weihnachtsfeier und der versicherten Tätigkeit der Klägerin als Lohnbuchhalterin (§ 2 I Nr. 1 SGB VII) ein innerer und sachlicher Zusammenhang bestehe, sodass auch der Unfall auf dem Heimweg der Klägerin als Wegeunfall gemäß § 8 II Nr. 1 SGB VII noch versichert sei.
Es stellte fest, dass der Bürgermeister die Weihnachtsfeier gebilligt und unterstützt habe, obgleich die Einladung zu dieser vom Hauptamtsleiter ausgesprochen worden war. Es sei nämlich davon auszugehen, dass letzterer den Bürgermeister vertreten habe, sodass die Veranstaltung von der Autorität der Stadtverwaltung als „Unternehmensleitung“ getragen worden sei. Dies sei schon daraus ersichtlich, dass die Teilnehmenden in deren Namen begrüßt worden seien, und dass der Hauptamtsleiter ebenfalls in deren Namen für die geleistete Arbeit gedankt habe. Hierdurch sei ein innerer Zusammenhang von Feier und versicherter Tätigkeit der Klägerin als Lohnbuchhalterin der Stadtverwaltung entstanden.
Die Weihnachtsfeier habe auch der Pflege der Verbundenheit der Angestellten des Hauptamtes zur Stadtverwaltung gedient. Zwar seien die übrigen 33 Angestellten der anderen Ämter nicht eingeladen worden, doch da diese ebenfalls eigene Feiern durchgeführt hätten, wäre niemand benachteiligt oder ausgeschlossen worden. Es sei Sache der Behördenleitung, zu entscheiden, ob die Pflege der inneren Verbundenheit besser durch Weihnachtsfeiern der jeweiligen Ämter oder der gesamten Stadtverwaltung zu erreichen sei. Positiv zu werten sei auch, dass von 17 Beschäftigten des Hauptamtes immerhin 15 anwesend waren.
Da sich der Unfall der Klägerin ereignete, als der Hauptamtsleiter noch anwesend war, habe die Weihnachtsfeier ihren Charakter als gesamtbetriebliche Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht wieder verloren. Damit war die Beklagte im Ergebnis verpflichtet, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Anzumerken bleibt noch, dass die Stadtverwaltung zwischenzeitlich, um ihren Angestellten vergleichbare Versicherungsstreitigkeiten zu ersparen, dazu übergegangen ist, mit allen Beschäftigten gemeinsam eine einheitliche Weihnachtsfeier abzuhalten…