Bedeutung:
Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch einen Grund, der in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegt oder durch ein dringendes betriebliches Erfordernis begründet ist.
Die betriebsbedingte Kündigung erfolgt grundsätzlich als ordentliche Kündigung.
Begriff:
Die betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass eine unternehmerische Entscheidung zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, sodass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Auch die Zuweisung einer neuen Tätigkeit oder die Durchführung von Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen muss unmöglich geworden sein, § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG.
Dringendes betriebliches Erfordernis:
Dies sind alle tatsächlichen Entwicklungen, die letztlich dazu führen, dass es im Betrieb zu viele Arbeitskräfte gibt. Sie können auf externen oder internen Gründen beruhen. In Frage kommen z.B. ein Rückgang an Aufträgen oder Umstrukturierungen des Unternehmens.
Auf Grund der sich ändernden Verhältnisse muss der Arbeitgeber eine unternehmerische Entscheidung treffen, die zum Arbeitskräfteüberhang führt. Entscheidet sich der Unternehmensträger z.B. für die Stilllegung eines Betriebs(teils), bedarf er insgesamt weniger Arbeitskräfte. Diese innerbetriebliche Umstrukturierung muss ursächlich für den Stellenabbau und somit auch für die betriebsbedingte Kündigung sein.
Soziale Rechtfertigung:
Die betriebsgedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn ein dringendes betriebliches Erfordernis (s.o.) vorliegt, sodass die Weiterbeschäftigung des oder der Arbeitnehmer in dem Betrieb nicht mehr möglich ist, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
Sozialwidrig ist eine Kündigung daher, wenn die Weiterbeschäftigung an anderer Stelle im Unternehmen zumutbar ist, weil dann kein realer Überhang von Arbeitskräften vorliegt, oder wenn der Unternehmensträger auf andere Art und Weise als durch betriebsbedingte Kündigung auf das dringende betriebliche Erfordernis reagieren könnte.
Die betriebsbedingte Kündigung ist des Weiteren sozialwidrig, wenn keine (ausreichende) Sozialauswahl nach den Kriterien:
– Betriebszugehörigkeit (inkl. Erziehungszeiten), – Lebensalter,
– etwaige Unterhaltspflichten, – etwaige Schwerbehinderteneigenschaft
durchgeführt wurde, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG.
Der Arbeitnehmer kann verlangen, die Gründe der Sozialauswahl zu erfahren, § 1 Abs. 3 Satz 1, Halbsatz 2 KSchG.
Ausnahmsweise kann die Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und -geber zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führen.
Sollten Zweifel an der sozialen Rechtmäßigkeit einer Kündigung bestehen, sollte unmittelbar anwaltlicher Rat eingeholt werden. Dies gilt insbesondere für die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der ausgesprochenen Kündigung.
Durchführung der Sozialwahl:
Die Sozialauswahl muss die Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG (s.o.) beachten. Zu kündigen ist dem Arbeitnehmer, der am „sozialstärksten“ ist und der auf seinen Arbeitsplatz daher am ehesten verzichten kann.
Vergleichsmaßstab sind alle Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs. Es sind solche Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen, auf die der Unternehmer wegen ihrer fachlichen Kenntnis, Fähigkeiten und Leistungen nicht verzichten kann, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, oder die aus besonderen Gründen unkündbar sind.
Der Arbeitgeber darf sich zur Durchführung der Sozialwahl eines Punktsystems bedienen, sofern dieses die relevanten Kriterien (s.o.) ausreichend berücksichtigt. Das Punktsystem ist eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 Abs. 1 BetrVG. Wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt, kann dieser verlangen, dass das Punktesystem nicht weiter angewandt wird. Solange dieser Unterlassungsanspruch nicht durchgesetzt wird, ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG dennoch nicht daran gehindert, das Punktesystem zu nutzen. Etwaig erfolgende Kündigungen auf Grundlage dieses Systems sind daher nicht wegen Verletzung des § 95 BetrVG unwirksam.
[box type=”alert”]Achtung! Wegen eines Fehlers bei der Sozialauswahl können nur solche Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben, die ohne den Fehler ihren Arbeitsplatz behalten hätten. Wer also auch bei rechtmäßiger Sozialauswahl eine Kündigung erhalten hätte, kann nicht erfolgreich klagen.[/box]
Arbeitsgerichtliche Kontrolle:
Die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung sind arbeitsgerichtlich voll überprüfbar mit Ausnahme der unternehmerischen Entscheidung, die hinter der Kündigung steht. Diese kann nur auf Willkür überprüft werden, während der eigentliche Entscheidungsinhalt allein Sache des Unternehmensträgers ist. Beschränkt kontrollierbar sind ferner die das dringende betriebliche Erfordernis ggf. begründenden innerbetrieblichen Umstände.
Den Beweis für die Existenz eines dringenden betrieblichen Grundes muss der Arbeitgeber erbringen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Der betroffene Arbeitnehmer muss andererseits beweisen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG.
Kündigung wegen Betriebsänderung, § 1 Abs. 5 KSchG:
Folgt eine Kündigung einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG, und bezeichnet ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffener Interessenausgleich die zu entlassenden Arbeitnehmer namentlich, so wird vermutet, dass die Kündigung betriebsbedingt und sozial rechtmäßig ist. Die Sozialauswahl ist dann nur beschränkt überprüfbar und der Interessenausgleich ersetzt die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG grundsätzlich erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats.
Die Vermutungsregel entfällt gemäß § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG, sofern eine nicht unerhebliche Änderung der Sachlage nach Abschluss des Interessensausgleichs eingetreten ist.
Abfindungsanspruch:
Die Durchführung der betriebsbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber dadurch beschleunigen, indem er den Betroffenen per Kündigungserklärung eine Abfindung für den Fall in Aussicht stellt, dass er keine Kündigungsschutzklage erhebt, § 1a KSchG. Lässt der Arbeitnehmer daraufhin die Klagefrist verstreichen, erwächst ihm gemäß § 1a Abs. 2 KSchG ein Abfindungsanspruch in Höhe von ½ Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.
Anspruch auf Wiedereinstellung:
Wenn bei Zugang der Kündigungserklärung tatsächlich keine dringenden betrieblichen Erfordernisse gegeben waren, so bleibt die Kündigung dennoch wirksam. Der betroffene Arbeitnehmer kann aber verlangen, dass er wiedereingestellt wird, falls seine Weiterbeschäftigung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist möglich wird.
Dieser Wiedereinstellungsanspruch ergibt sich nach der Rechtsprechung des BAG aus einer vertraglichen Nebenpflicht des Arbeitgebers.