Allgemeines:
Die Abmahnung ist als eine Art Warnung zu verstehen: Ein Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses – regelmäßig der Arbeitnehmer – hat eine Pflichtverletzung z.B. in Form eines (einmaligen oder kontinuierlichen) Fehlverhaltens begangen, die der andere Vertragspartner nicht dauerhaft oder erneut hinnehmen will. Mit ihr wird verdeutlicht, dass es zu rechtlichen Konsequenzen, oftmals einer verhaltensbedingten Kündigung, kommen werde, falls sich der andere nicht ändert oder wiederholt pflichtwidrig handelt.
Die Abmahnung erfüllt insgesamt vier Funktionen:
[highlight]Hinweisfunktion[/highlight]: Dem Empfänger der Abmahnung wird ein unerwünschtes Verhalten im Allgemeinen oder eine (bestimmte) Pflichtverletzung im Besonderen aufgezeigt.
[highlight]Ermahnungsfunktion[/highlight]: Die Abmahnung enthält die Aufforderung, sich in Zukunft korrekt zu benehmen, und die bezeichnete Pflichtverletzung einzustellen bzw. nicht erneut zu begehen.
[highlight]Warnfunktion[/highlight]: Durch die Abmahnung wird die Kündigung als mögliche Konsequenz in Aussicht gestellt, sollte das unerwünschte Verhalten nicht eingestellt bzw. wiederholt werden.
[highlight]Dokumentationsfunktion[/highlight]: Nicht zuletzt soll die Abmahnung einen Beleg dafür darstellen, dass ihrem Empfänger eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird, und dass insofern eine Rüge ausgesprochen wurde.
Daraus folgt, dass die Abmahnung keine Sanktion für die bemängelte Pflichtverletzung, sondern eine zukunftsorientierte Aufforderung ist, den arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen.
Sie kann auch ohne Einschaltung eines ggf. bestehenden Betriebsrates ausgesprochen werden.
Abmahnungserfordernis bei verhaltensbedingter Kündigung:
Da nach geltendem Recht jede Kündigung verhältnismäßig sein muss, ist ein Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, ein Fehlverhalten (z.B. Mobbing) zunächst abzumahnen – die Kündigung soll stets ultima ratio sein. Dies gilt im Grundsatz auch bei der außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Durch die Abmahnung erhält der betroffene Arbeitnehmer also die Chance, sein Benehmen zu verbessern und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch verhaltensbedingte Kündigung doch noch abzuwenden.
Es sei denn, das Fehlverhalten des Arbeitnehmers war so gravierend, wenn nicht gar (offensichtlich) rechtswidrig, dass die Vertrauensbasis zwischen ihm und dem Arbeitgeber dauerhaft zerstört ist. Dann kann eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne Abmahnung ausgesprochen werden, nicht aber, wenn das Vertrauensverhältnis jedenfalls langfristig wieder „geheilt“ werden kann.
Auch wenn sich das vorzuwerfende Fehlverhalten auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bezieht, entfällt das Abmahnungserfordernis ausnahmsweise, wenn offensichtlich ist, dass mit einer Verhaltensänderung nicht zu rechnen ist.
Rechtsschutz:
Da jede Abmahnung grundsätzlich in der Personalakte aufgeführt wird, ist selbst eine Abmahnung, die im Übrigen folgenlos geblieben ist, ein Makel, der dem Empfänger dauerhaft anhaftet.
Allerdings ist nur eine solche Abmahnung hinzunehmen, die inhaltlich und formal der Wahrheit entspricht und die Pflichtverletzung des Betroffenen korrekt wiedergibt. Ist dies nicht der Fall, so kann zivilrechtlich verlangt werden, dass die Abmahnung vernichtet oder wenigstens aus der Personalakte entfernt wird (§§ 611, 241 II, 242 BGB bzw. § 1004 I 1 BGB analog), denn diese soll kein falsches Bild vermitteln. Unter Umständen kann sich auch ein Gegendarstellungsrecht aus § 83 II Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergeben.
Achtung ist ferner geboten, wenn ein Arbeitnehmer erst eine Abmahnung und kurz darauf eine Kündigung erhält! Sofern nämlich der Arbeitgeber alsbald nach erfolgter Abmahnung eine (verhaltensbedingte) Kündigung ausspricht, ist hieraus nach Ansicht des BAG zu folgern, dass die Kündigung wegen der bemängelten Pflichtverletzung erfolgt ist. Durch die Abmahnung hat der Arbeitgeber aber zum Ausdruck gebracht, zwar ein Fehlverhalten nicht tolerieren, aber dennoch das Arbeitsverhältnis zunächst fortzusetzen zu wollen. Mit anderen Worten: Durch die Abmahnung hat er auf eine Kündigung aus demselben Grunde verzichtet, sodass er eine dennoch zeitnah ausgesprochene Kündigung auf weitere Gründe stützen muss. Bei unmittelbar zeitlichem Zusammenhang von Abmahnung und Kündigung sollte der Betroffene sich daher an einen Anwalt wenden und (falls möglich) Kündigungsschutzklage erheben – und zwar auch dann, wenn die Abmahnung noch innerhalb der sog. Wartefrist des § 1 I Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erfolgt ist.
Abmahnung durch den Arbeitnehmer:
Nicht nur der Arbeitgeber kann eine Abmahnung aussprechen, sondern auch der Arbeitnehmer! Schließlich begründet ein Arbeitsvertrag nicht nur Pflichten des Arbeitnehmers, sondern auch des Arbeitgebers. Konsequenterweise können auch Angestellte ein Fehlverhalten ihres Chefs grundsätzlich abmahnen.
An diese Möglichkeit ist z.B. zu denken, wenn ein Arbeitnehmer eine oder gar mehrere Lohnzahlungen nicht mehr erhalten hat. In diesem Fall befindet sich der Arbeitgeber in Verzug, was einer Pflichtverletzung entspricht, die wiederum den Arbeitnehmer berechtigt, diesen abzumahnen. Zeigt die Abmahnung keine Wirkung, kann der Arbeitnehmer schließlich sogar die außerordentliche Kündigung aussprechen, damit er sich von seinem bisherigen Arbeitsverhältnis lösen und ein neues mit einem (hoffentlich) zahlungsfähigeren Arbeitgeber eingehen kann.
[box type=”alert”]Achtung: Da sich ein Arbeitnehmer, der schriftlich eine außerordentliche Kündigung erklärt hat, nach der Rechtsprechung des BAG später nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann, sollte vor Erklärung der Kündigung anwaltlicher Rat eingeholt werden, sofern noch Unsicherheiten bestehen.[/box]