Viele Arbeitnehmer sind befristet oder in Teilzeit beschäftigt. Für ihre Arbeitsverhältnisse sind daher die Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zu beachten.

Dort heißt es in § 9 z.B., dass ein in Teilzeit angestellter Arbeitnehmer verlangen kann, dass seine vertragliche Arbeitszeit verlängert wird.

Teilzeitangestellte können Vollzeitbeschäftigung gemäß § 9 TzBfG verlangen

Ein Anspruch auf Verlängerung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit besteht aber (natürlich) nicht uneingeschränkt, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Zunächst muss der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber mitteilen („anzeigen”), dass er seine Arbeitszeit gern verlängern möchte. Sobald nun eine Vollzeitstelle frei wird und neu besetzt werden soll, muss der Teilzeitbeschäftigte vorrangig berücksichtigt werden, sofern er über die für diese Stelle erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen verfügt („Eignung”). Dieser Anspruch entfällt jedoch, falls ihm „dringende betriebliche Gründe” entgegenstehen oder wenn mehrere Teilzeitangestellte um dieselbe Vollzeitstelle konkurrieren.

Zudem ist § 9 TzBfG nur einschlägig, wenn ein Angestellter überhaupt in Teilzeit beschäftigt ist. Es gibt jedoch Fälle, in denen selbst diese an sich simpel anmutende Voraussetzung des Arbeitszeitverlängerungsanspruchs unklar ist. Das zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.06.2011 (Az.: 9 AZR 236/10).

Der Ausgangsfall

Der Kläger ist als Flugsicherungskraft für ein Wach- und Sicherheitsunternehmen (Beklagte) am Flughafen Köln/Bonn tätig. Seine monatliche Arbeitszeit für die Beklagte beträgt im Durchschnitt 188 Stunden. Nach dem für allgemeinverbindlich erklärten „Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW” beträgt die Mindestarbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung in dieser Branche 160 Stunden pro Monat.

Damit liegt augenscheinlich gar kein Teilzeitarbeitsfall vor. Der Schein trügt jedoch, wenn man den Arbeitsvertrag des Klägers in die Betrachtung mit einbezieht. Dort heißt es nämlich: „Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten …”

Der Kläger erhob nun jedenfalls Feststellungsklage darauf, dass seine monatliche Arbeitszeit 188 Stunden betrage. Hilfsweise verlangte er eine Arbeitszeitverlängerung gemäß § 9 TzBfG. Das zuständige Arbeitsgericht hielt bereits die Feststellungsklage für begründet, während das Landesarbeitsgericht Köln allein dem Hilfsantrag des Klägers stattgab. Dieser könne lediglich eine Arbeitszeitverlängerung auf 160 Stunden pro Monat verlangen.

Das BAG kam wiederum zu einem ganz anderen Ergebnis…

Unklare Arbeitszeitregelungen sind unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht hält nämlich bereits die vertragliche Arbeitszeitenregelung für unwirksam. Dem Arbeitsvertrag des Klägers könne nicht klar entnommen werden, „innerhalb welchen Zeitraums der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit durchschnittlich 150 Stunden im Monat beschäftigen muss”. Unter diesen Voraussetzungen könne der Arbeitnehmer nicht eindeutig erkennen, wie lange er tatsächlich pro Kalendermonat arbeiten muss. Deshalb sei die oben zitierte Vertragsklausel, die als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB zu qualifizieren sei, unklar und unverständlich. Wegen Verletzung des sog. Transparenzgebots ist sie folglich gemäß § 307 I BGB unwirksam.

Aus der Unwirksamkeit dieser Klausel folge aber nach § 306 BGB, dass die vereinbarte Arbeitszeitenregelung durch das einschlägige Tarifvertragsrecht ersetzt werde. Demnach sei die im oben genannten Manteltarifvertrag vereinbarte Mindestarbeitszeit für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgeblich. Da diese jedoch 160 Stunden pro Monat betrage, sei der Kläger nicht in Teil-, sondern in Vollzeit beschäftigt. Folglich stehe ihm kein Anspruch auf eine (weitergehende) Arbeitszeitverlängerung aus § 9 TzBfG zu.

Arbeitsbedingungen werden üblicherweise nicht nur (individuell) im Arbeitsvertrag vereinbart, sondern ergeben sich vielfach (auch) aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Dabei ist aber das gesetzlich vorgegebene Rangverhältnis dieser Regelwerke zu beachten.

Tarifvertrag „verdrängt” individuelle Abmachungen und Betriebsvereinbarungen

Im Verhältnis von Tarifvertrag und Arbeitsvertrag gilt, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch individuelle Vereinbarung nur zugunsten des Arbeitnehmers von einem für sie verbindlichen Tarifvertrag abweichen dürfen. Das Tarifwerk verhindert also einerseits jede arbeitsvertragliche Benachteiligung eines einzelnen Arbeitnehmers, sofern der Vertrag sie nicht im Rahmen einer sog. Öffnungsklausel ausdrücklich zulässt. Andererseits kann er einer individuell vereinbarten Begünstigung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht entgegenstehen. Dieses Rangverhältnis von Tarif- und Einzelarbeitsvertrag nennt man Günstigkeitsprinzip, § 4 III Tarifvertragsgesetz (TVG).

Dieses Günstigkeitsprinzip gilt auch im Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, sodass letztere grundsätzlich ebenfalls nur zugunsten der Arbeitnehmer vom Tarifwerk abweichen dürfen. Daneben gibt es aber auch bestimmte Arbeitsbedingungen, die einer tarifvertraglichen Regelung vorenthalten sind (s. §§ 77 III, 87 I Betriebsverfassungsgesetz, kurz: BetrVG).

Tarifvertragliche Arbeitszeitvereinbarung genießt „Verfassungsvorrang”

Zu diesen einem Tarifvertrag vorbehaltenen Regelungspunkten gehört u.a. die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit.

Im Allgemeinen kann nach § 87 I Nr. 2 BetrVG zwar eine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeiten getroffen werden. Besteht aber bereits eine tarifvertragliche Regelung, so ist nach §§ 77 III 1, 87 I BetrVG ausschließlich diese zu beachten.

Den Grund für die unangefochtene Vorrangstellung des Tarifvertrags sieht das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 17.05.2011 (Az.: 1 AZR 473/09) in der verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit der am Tarifschluss beteiligten Gewerkschaft. Wird dennoch eine zusätzliche Betriebsvereinbarung geschlossen, steht der betroffenen Arbeitnehmervereinigung daher ein Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu.

Der Ausgangsfall

Der Rechtsstreit betrifft die Konkurrenz von Tarifverträgen der IG Metall mit einer Betriebsvereinbarung über die Wochenarbeitszeit. Eine Arbeitgeberin war Mitglied eines Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie und wandte die zwischen dem Verband und der IG Metall geschlossenen Tarifverträge an. Nach dem gültigen Regelwerk betrug die regelmäßige Wochenarbeitszeit 35 Stunden. Dennoch vereinbarte die Arbeitgeberin in einer 2006 in Kraft tretenden Betriebsvereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit von insgesamt 40 Stunden. Zudem sah die Vereinbarung einen Ausgleichsbonus für die Arbeitnehmer vor, der aber leistungs- und erfolgsabhängig war. Im August 2008 wurde die Betriebsvereinbarung wieder aufgehoben.

Die IG Metall (Klägerin) verlangte von der Beklagten, die Rechtsnachfolgerin der genannten Arbeitgeberin ist, den betroffenen Arbeitnehmern individuell eine Abgeltung der wöchentlich zusätzlichen fünf Arbeitsstunden zu leisten. Dadurch sollte die Beeinträchtigung ihrer Koalitionsfreiheit durch die konkurrierende Betriebsvereinbarung kompensiert werden.

Gewerkschaften können Beseitigung verlangen, aber keinen finanziellen Ausgleich für die Arbeitnehmer

Das BAG entschied jedoch, dass einer Gewerkschaft, deren verfassungsrechtliche Tarifautonomie durch den Abschluss einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung beeinträchtigt ist, keinen eigenen Anspruch auf den Ausgleich von Entgeltnachteilen zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer hat. Sie sei vielmehr darauf beschränkt, den Arbeitgeber aufzufordern, die Betriebsvereinbarung nicht weiter umzusetzen, also ihre Anwendung zu unterlassen.

Die kollektive Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft aus Art.9 III GG sei nämlich nicht durch die Vorenthaltung tariflicher Leistung zulasten der Arbeitnehmer beeinträchtigt, sondern ausschließlich durch den Abschluss der nachteiligen und tarifwidrigen Betriebsvereinbarung als solcher. Sobald diese aufgehoben werde, sei aber auch der Eingriff in die Tarifautonomie der Arbeitnehmervereinigung beendet. Und vor ihrer Aufhebung könne die Gewerkschaft Lohnverluste der Arbeitnehmer ebenso wenig als (eigenen) Schaden geltend machen.