Schlagwortarchiv für: Arbeitgeberinsolvenz

Wenn der Arbeitgeber kündigt, ist das immer ein schwerer Schlag. Aber nicht jede Kündigung ist auch rechtswirksam. Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen gehört nach § 102 I 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) grundsätzlich auch die vorherige Beteiligung des Betriebsrates, sofern denn einer existiert.

Diese ist Gegenstand eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 07.07.2011 (Az.: 6 AZR 248/10).

Grundsatz: Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden

Besteht in einem Unternehmen ein Betriebsrat, dann muss der Arbeitgeber diesen vor jeder geplanten Kündigung anhören (§ 102 I 1 BetrVG) und ihm die Gründe für seinen Kündigungsentschluss mitteilen (§ 102 I 2 BetrVG). Anderenfalls ist die Kündigung gemäß § 102 I 3 BetrVG unwirksam und der betroffene Arbeitnehmer kann sich mit Erfolg gegen sie zur Wehr setzen.

Der Arbeitgeber muss sich deshalb mit seinem Vorhaben an den Vorsitzenden des Betriebsrats wenden, da gemäß § 26 II 2 BetrVG alle an den Betriebsrat zu richtenden Erklärungen ihm gegenüber abzugeben sind. Ist das nicht möglich, kann der Arbeitgeber aber auch dessen Stellvertreter benachrichtigen (vgl. § 26 II 1 BetrVG). Weiterlesen

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Im Gegenzug für die erbrachte Arbeitsleistung ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zu entlohnen. Dies kann – was regelmäßig der Fall sein wird – in Form von Geldzahlungen in Euro (§ 107 Abs. 1 GewO) geschehen oder – seltener – durch Gewährung von Sachleistungen (Geld- bzw. Naturallohn). Sachbezüge dürfen den pfändbaren Lohnanteil nicht übersteigen (§ 107 Abs. 2 Satz 5 GewO) und bedürfen der vertraglichen Vereinbarung, können also insbesondere ohne Weiteres nicht Teile eines verabredeten Geldlohns ersetzen.

Trinkgelder, die der Arbeitnehmer z.B. von Kunden erhält, sind kein Lohnbestandteil, vgl. § 107 Abs. 3 GewO.

Lohnanspruch:

Der Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und entspricht der Hauptpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis. Durch die Lohnzahlung wird die erbrachte Arbeitsleistung abgegolten, wobei der Arbeitnehmer zur Vorleistung verpflichtet ist.

Mangels abweichender Vereinbarung im Einzelarbeits- oder Kollektivvertrag wird der Lohnanspruch also erst dann fällig, wenn der Beschäftigte seine geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat. Insofern ist der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG zu beteiligen. Ist unklar, ob ein Lohnanspruch besteht, so gilt ein solcher gemäß § 612 Abs. 1 BGB als konkludent – also stillschweigend – vereinbart, wenn es üblich ist, derartige Arbeitsleistungen nur gegen Lohn zu erbringen.

Die Lohnhöhe kann auch durch Tarifvertrag geregelt werden. Sollte nicht die Existenz des Lohnanspruchs, wohl aber dessen Höhe streitig sein, so schuldet der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 2 BGB die „taxmäßige“ bzw. übliche Vergütung, die am Arbeitsort für vergleichbare Tätigkeiten regelmäßig gezahlt wird. Diese Norm bewirkt, dass z.B. einem gewerkschaftlich nicht organisierten und tarifvertraglich nicht gebundenen Arbeitnehmer dennoch der Tariflohn zu zahlen ist.

Ein vom Geschlecht des Arbeitnehmers abhängiger Lohnanspruch ist wegen Diskriminierung unzulässig, §§ 7 ff. AGG.

Lohnansprüche verjähren gemäß § 195 BGB binnen drei Jahren, sofern keine kürzere Ausschlussfrist vereinbart wurde.

Entfall des Lohnanspruchs:

Bei schuldhafter, unberechtigter Weigerung des Arbeitnehmers, seiner Arbeitsverpflichtung nachzukommen, entfällt gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB der Lohnzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber: Eine Nachholung der entfallenden Arbeitsleistung ist wegen ihres Fixschuldcharakters regelmäßig nicht möglich (§ 275 BGB).

Eine bloße Schlechtleistung des Beschäftigten genügt demgegenüber nicht, um den Lohnanspruch in seiner Gänze aufzuheben.

Lohnberechnung:

Grundsätzlich richtet sich der auszuzahlende Lohn nach der erbrachten Arbeitszeit (Zeitlohn). Nach dem Leistungslohnprinzip ist demgegenüber entscheidend, ob der Arbeitnehmer z.B. eine bestimmte Anzahl von Stücken herstellt (Akkordlohn) oder ob seine Arbeitsleistung die vertraglich vorausgesetzte Qualität aufweist.

Erfolgt die Entlohnung durch Provisionen, so wird der Arbeitnehmer – grds. neben einem vereinbarten Mindestzeitlohn – an den von ihm geschlossenen Verträgen prozentual beteiligt. An den Unternehmensgewinn gebundene Lohnforderungen können auch in Form von Tantiemen erbracht werden.

Entlohnungsgrundsätze und die Bestimmung von Akkord- und/oder Prämiensätzen unterfallen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Lohnauszahlung:

Sofern der Arbeitslohn fällig ist (vgl. Lohnanspruch) hat dessen Auszahlung am – ggf. vertraglich vereinbarten – Zahlungsort zu erfolgen. Dies kann entweder der Sitz des Arbeitgeberbetriebes sein oder das Konto des Arbeitnehmers, auf das der Geldlohn überwiesen wird.

Der Arbeitgeber schuldet zwar den Bruttolohn, muss dem Arbeitnehmer aber nur den Nettolohn auszahlen: Sozialversicherungsbeiträge muss er an die Krankenkasse des Beschäftigten abführen, die Lohnsteuer an das Finanzamt. Die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung sind demgegenüber auch nicht Bestandteil des Bruttolohns.

Der Arbeitnehmer kann einen Abrechungsbeleg, § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO, verlangen, der die Zusammensetzung des Lohns und den Abrechnungszeitraum beinhaltet. Demgegenüber kann der Arbeitgeber gemäß § 368 BGB verlangen, dass ihm der Arbeitnehmer nach Erhalt des Lohns eine Quittung ausstellt.

Entlohnung für Überstunden:

Ein Lohnanspruch für über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers kann sich aus Einzel- oder Kollektivarbeitsverträgen ergeben. Sollte eine derartige Vereinbarung fehlen, schuldet der Arbeitgeber eine Vergütung, sofern diese üblich ist, und zwar in der regelmäßigen Höhe (vgl. § 612 BGB).

Auch gesetzlich unzulässige Überstunden, die gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, sind nach der Rechtsprechung des BAG zum Schutze des Arbeitnehmers zu entlohnen!

Lohnzuschläge:

Diese Zulagen sind – ähnlich wie Gratifikationen – Zahlungen des Arbeitgebers, die zusätzlich zum regulären Lohn gezahlt werden und nicht der Abgeltung der geschuldeten bzw. erbrachten Arbeitsleistung als solcher dienen. Gemeint sind also Sonderzulagen, z.B. wegen Überstunden, Nachtschichten oder besonderen, auf der beruflichen Tätigkeit basierenden Gefahren.

Zusätzlich zu einem Zeitlohn können auch Prämien gezahlt werden.

Lohnschutz:

Der Lohnanspruch des Arbeitnehmers wird zwecks Erhaltung dessen Existenzgrundlage gesetzlich geschützt.

So können Gläubiger des Arbeitnehmers nur in den pfändbaren Teil des Arbeitslohns vollstrecken. Dieser berechnet sich gemäß § 850e ZPO, wobei sich die Pfändungsgrenzen (grundsätzlich 985,15 € pro Monat; Unterhaltspflichten werden zusätzlich berücksichtigt) aus § 850c ZPO ergeben.

Unpfändbar sind 50% des Lohns für Mehrarbeit, Urlaubs- und Treuegelder, Aufwandsentschädigungen (z.B. für selbst finanzierte Arbeitsmaterialien), Auslösungsgelder, soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigung, Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen, Weihnachtsgeld bis maximal 500,- €, Heirats- und Geburtsbeihilfen, Erziehungsgelder und Studienbeihilfen etc., Sterbe-/Gnadenbezüge und Blindenzulagen.

Unterhaltsrenten, Renten wegen Körper- oder Gesundheitsverletzung, Einkünfte auf Grund der Freigiebigkeit eines Dritten etc. und Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen und Lebensversicherungsbezüge können vollstreckt werden, falls das sonstige bewegliche Vermögen des Arbeitnehmers für die Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht und eine Pfändbarkeit aus Billigkeitsgründen geboten ist.

Ferner sind Aufrechnungs-, Abtretungs- und Verpfändungsverbote (§§ 394, 400, 1274 BGB) vom Arbeitnehmer zu beachten.

Zum Lohnschutz bei Arbeitgeberinsolvenz siehe dort.

Die Insolvenz des Arbeitgebers hat für den Arbeitnehmer die folgenden Konsequenzen:

Anspruch auf Insolvenzgeld:

Nach den §§ 183 ff. SGB III können Arbeitnehmer Insolvenzgeld verlangen, wenn sie inländisch beschäftigt waren und bei der Eröffnung/Abweisung des Insolvenzverfahrens gegen ihren Arbeitgeber oder bei völliger Betriebseinstellung im Inland für die letzten drei Monate noch unerfüllte Lohnansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis haben. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Agenturen für Arbeit.

Nicht jeder Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zum „Erfolg“. Vielmehr kommt es zu dessen Abweisung, wenn z.B. die Insolvenzmasse – also das Restvermögen des Arbeitgebers“ – nicht ausreicht, um die Verfahrenskosten und die Liquidation des Unternehmens zu decken. Sollte dies der Fall sein, können die Arbeitnehmer ausschließlich das Insolvenzgeld verlangen.

Lohnschutz durch die Insolvenzordnung (InsO):

Lohnansprüche, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits bestanden, werden zu einfachen Insolvenzforderungen im Sinne der §§ 38, 87, 174 ff. InsO, sofern denn ein Insolvenzverfahren eröffnet wird (s.o.).

Alle Lohnforderungen, die später – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – entstehen, sowie Ansprüche aus einem Sozialplan sind hingegen vorrangig zu tilgende Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55, 103, 113, 123 InsO). Dies gilt unabhängig davon, ob die Forderungen während des Ablaufs einer ordentlichen Kündigungsfrist oder durch die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer entstanden.

Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses wegen Insolvenz:

Die Insolvenz des Arbeitgebers führt nicht ohne Weiteres zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings können gemäß § 113 InsO sowohl der Arbeitnehmer als auch der Insolvenzverwalter – anstelle des Arbeitgebers – das Arbeitsverhältnis unter Beachtung einer Kündigungsfrist von maximal drei Monaten zum Monatsende (ordentlich) kündigen. Ein etwaiger Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder die Vereinbarung einer bestimmten Vertragsdauer ist insoweit unerheblich.

Erfolgt die Kündigung durch den Insolvenzverwalter, so steht dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch aus § 113 S. 3 InsO zu, wodurch er zum Insolvenzgläubiger wird.

Die Kündigung muss den Grundsätzen des Kündigungsschutzgesetzes entsprechen, also sozial gerechtfertigt sein und aus persönlichen, verhaltensbedingten oder vor allem betrieblichen Gründen gerechtfertigt sein. Sollte ein Interessenausgleich (siehe sogleich) getroffen worden sein, ist die Kündigung insofern unter erleichterten Voraussetzungen zulässig und letztlich wirksam.

Herbeiführung eines Interessensausgleichs im Insolvenzverfahren:

Sofern grundsätzlich mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist der Betriebsrat gemäß der §§ 122 InsO, 111 ff. BetrVG über anstehende Betriebsänderungen zu informieren. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter z.B. erwägt, den Betrieb stillzulegen und/oder eine große Anzahl von Arbeitnehmern zu entlassen („Massenentlassung“). Insolvenzverwalter und Betriebsrat haben sich binnen dreier Wochen darum zu bemühen, einen Interessenausgleich herbeizuführen.

Ist keine Einigung erzielt worden, kann sich der Insolvenzverwalter stattdessen an die Arbeitsgerichte wenden und die Betriebsänderung ohne Abschluss eines Interessenausgleichs verlangen. Das Gericht wird der Änderungsmaßnahme zustimmen, wenn es trotz Berücksichtigung der Arbeitnehmerbelange aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist, auf einen Interessenausgleich zu verzichten. Gegen diese Zustimmung kann der Betriebsrat ggf. Rechtsbeschwerde zum BAG erheben. Alternativ kann der Insolvenzverwalter gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO dahingehend Feststellungsklage erheben, dass das Gericht die Wirksamkeit der Kündigung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses bestätigt. Dies ist auch dann möglich, wenn es gar keinen Betriebsrat gibt, und somit von vornherein kein Interessenausgleich herbeigeführt werden konnte.

Kommen Betriebsrat und Insolvenzverwalter aber zu einem Interessenausgleich, der die zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet, so wird gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigungen betrieblich bedingt waren. Ferner wird die Sozialauswahl in nur eingeschränktem Umfang überprüft; führen die Kündigungen zu einer „ausgewogenen Personalstruktur“, sind sie als rechtmäßig anzusehen. Regelmäßig ist daher eine konkrete Erörterung des Einzelfalls erforderlich, sodass zur Konsultation eines Anwalts zu raten ist, anstatt die Kündigung einfach hinzunehmen.

Ansprüche aus Sozialplan:

Dies ist eine Einigung zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter, die dem Ausgleich oder der Abmilderung wirtschaftlicher Nachteile einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer dient.

Wird ein solcher Plan erstellt, nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so darf dieser jedem Arbeitnehmer nicht mehr als 2½ Monatsgehälter zugestehen (§ 123 Abs. 1 InsO). Auch darf der Plan grundsätzlich nicht mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse aufzehren. Wird diese Grenze überschritten, sind die Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer anteilig zu kürzen, § 123 Abs. 2 InsO.

Sobald der Insolvenzverwalter über Barmittel verfügt, „soll“ er mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen leisten. Einen entsprechenden Anspruch hat der Arbeitnehmer demgegenüber nicht. Auch ist eine Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse wegen der Abschlagszahlung gemäß § 123 Abs. 3 InsO ausgeschlossen.

Wurde der Sozialplan innerhalb der letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart, so kann er von beiden Seiten – Betriebsrat und Insolvenzverwalter – gemäß § 124 InsO widerrufen werden. In diesem Fall können die durch diesen bislang begünstigten Arbeitnehmer fordern, auch bei der Aufstellung eines neuen Sozialplans im Rahmen des Insolvenzverfahrens berücksichtigt zu werden. Eine Rückforderung bereits erhaltener Leistungen ist im Widerrufsfall ausgeschlossen, während eine Anrechung auf einen neuen Sozialplan zulässig ist, § 124 Abs. 3 InsO.