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Präventionsleistungen: Ziel der Unfallversicherung ist die Verhinderung von Berufsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Zu diesem Zweck erlassen die Versicherungsträger sog. Unfallverhütungsvorschriften, die branchenspezifisch sind und deren Einhaltung durch Aufsichtsbeamte überwacht wird (§§ 15 ff. SGB VII).

Leistungen im Versicherungsfall: Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit (s.o.) sollen die Versicherungsträger die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln fördern oder eine Entschädigung in Geld an die Hinterbliebenen zahlen (vgl. § 1 Nr. 2 SGB VII).
Zu den Leistungen zählen Heilbehandlungsmaßnahmen, Verletztengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, Pflegegeld, Hinterbliebenen- oder Verletztenrente und Rehabilitationsmaßnahmen medizinischer, aber auch sozialer oder berufsfördernder Art (§ 26 As. 1 SGB VII). Ziel dieser Leistungen sind vornehmlich die Besserung bzw. Behebung von Gesundheitsschäden und Folgeschäden. Zumindest aber soll vermieden werden, dass sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung noch steigert. Zudem soll dem Betroffenen (wieder) die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Aus diesem Grunde sind auch vorrangig Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren, bevor der Betroffene eine Rente verlangen kann (vgl. § 26 Abs. 3 SGB VII).

Heilbehandlungen: Die Unfallversicherer müssen alle Behandlungsmaßnahmen ermöglichen, die der Heilung des Betroffenen dienlich sind. Hierzu wird der Versicherte zunächst durch einen „Durchgangsarzt“ untersucht, der feststellt, ob eine fachmedizinische oder speziell unfallmedizinische Behandlung erforderlich ist. Im letzteren Fall kann der Betroffene in einer Unfallklinik behandelt werden; solche Kliniken der Unfallversicherer sind auf die Behandlung (bestimmter) Arbeitsunfallschäden spezialisiert.
Alle Behandlungsmaßnahmen müssen dem gegenwärtigen medizinischen Standard entsprechen und werden in Form von Dienst- und/oder Sachleistungen erbracht, §§ 26 Abs. 4, 28 Abs. 2 und 3 SGB VII.
Zu den Heilbehandlungsmaßnahmen zählen gemäß § 27 Abs. 1 SGB VII die Erstversorgung, ärztliche und zahnärztliche Behandlungen, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, die Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, sowie bestimmte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zählen zahlreiche Wiedereingliederungsmaßnahmen, aber auch Leistungen zur Teilnahme am Gemeinschaftsleben sowie ergänzende Leistungen (s. §§ 35 ff. SGB VII).
Beispiele: Kraftfahrzeughilfe, Wohnungshilfe, Beratungen, Haushaltshilfen.
Auch bei Pflegebedürftigkeit des Betroffenen werden besondere Leistungen erbracht. Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VII wird dann entweder ein Pflegegeld gezahlt, eine Pflegekraft gestellt oder der Betroffene in einem Pflegeheim untergebracht, solange er nicht in der Lage ist, die gewöhnlichen und wiederkehrenden Aufgaben des alltäglichen Lebens zu verrichten.

Geldleistungen: Es gibt zwei Arten von Geldleistungen, die von der Unfallversicherung erbracht werden. Zum einen das Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII), welches als Ausgleich dafür gezahlt wird, dass ein Versicherter arbeitsunfähig geworden ist oder zumindest nicht mehr ganztägig arbeiten kann. Es handelt sich daher um eine Variante der Entgeltfortzahlung, die sich an die Entgeltfortzahlung nach dem EFZG anschließt und gleich lautende Ansprüche gegen die Krankenversicherung aufhebt.
Zum anderen erhält der Betroffene ein Übergangsgeld nach den §§ 49 ff. SGB VII, wenn er Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (s.o.) erhält.

Renten: Der Versicherte erhält nach den §§ 56 ff. SGB VII eine Rente, wenn seine Erwerbsfähigkeit durch den Arbeitsunfall oder Berufskrankheit vermindert wurde (sog. Verletztenrente). Zugleich soll der Betroffene durch sie eine Entschädigung für erlittene Schmerzen erhalten.
Vorauszusetzen ist, dass die Erwerbsfähigkeit längerfristig, also länger als 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalles, um wenigstens 20% gemindert ist, § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Beruht die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf mehreren Vorfällen bzw. Ereignissen, so müssen diese insgesamt zu einer Reduzierung um mindestens 20% führen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Ob diese Grenzen erreicht sind, entscheidet zwar der Richter, doch muss er sich insoweit auf ein medizinisches Gutachten stützen.
Die Erwerbsminderung wird abstrakt berechnet und erfasst die verringerten Möglichkeiten des Betroffenen, seinem bisherigen Erwerb nachzukommen und seine beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen einzusetzen (vgl. § 56 Abs. 2 SGB VII). Konkrete Benachteiligungen müssen daher nicht nachgewiesen werden; es genügt, wenn die Erwerbsfähigkeit abstrakt nach dem Versicherungsfall um 20% geringer ist als vor dem Versicherungsfall.
Die Höhe der Verletztenrente hängt von dem Jahresarbeitsverdienst des Betroffenen in den letzten 12 Monaten vor Eintritt des Versicherungsfalls ab. Bei Personen, die kraft Satzung versichert sind, also z.B. Unternehmer, wird der Jahresarbeitsverdienst hingegen mit einem bestimmten Prozentsatz kraft Satzung ermittelt.
Diese Summe aus Arbeitseinkommen und -entgelt wird zu zwei Dritteln angesetzt und mit dem Prozentgrad der erlitten Erwerbsfähigkeitsminderung multipliziert, wenn die Erwerbsfähigkeit nur reduziert ist. Falls die Erwerbsfähigkeit insgesamt weggefallen ist, besteht stattdessen ein Rentenanspruch in Höhe von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes, § 56 Abs. 3 SGB VII.

Abfindung: Die Abfindung ersetzt nach den §§ 75 ff. SGB VII die voraussichtlich zu zahlende Rente in Form einer Gesamtvergütung.
Eine Abfindung wird z.B. dann gezahlt, wenn damit zu rechnen ist, dass eine Rente nur als vorläufige Entschädigung gezahlt werden würde, § 75 S. 1 SGB VII. Mit Ablauf des Zeitraums, den die Abfindung abdecken sollte, kann eine Rente als vorläufige Entschädigung oder auf unbestimmte Zeit beantragt werden.
Eine Abfindung kann gemäß § 76 SGB VII auch ein Versicherter beantragen, dessen Erwerbsminderung unterhalb 40% liegt. Vorauszusetzen ist, dass mit einer weiteren, wesentlichen Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Sollte eine solche nach Auszahlung wider Erwarten dennoch eingetreten sein, so wird insoweit eine Rente gezahlt.
Einen vergleichbaren Anspruch enthält § 78 SGB VII für Fälle, in denen der Versicherte eine Erwerbsfähigkeitsminderung größer/gleich 40% erlitten hat. Allerdings muss er dann zusätzlich bereits das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Berechnung der Abfindung ist in § 79 SGB VII geregelt: Sie wird bis zur Hälfte für 10 Jahre abgefunden, sodass während dieser Zeit die Rentenansprüche anteilig erlöschen. Die Abfindung beträgt das Neunfache des zugrundeliegenden Jahresbetrages der Rente.
Mit dem etwaigen Eintritt der Schwerverletzteneigenschaft lebt ein Rentenanspruch gemäß § 77 SGB VII wieder auf, auch wenn der Betroffene eine Abfindung erhalten hat. Allerdings kann die Abfindung dann auf die Rentenzahlungen angerechnet werden, die ohne Abfindung in der Zwischenzeit ausgezahlt worden wären. Jedoch stellt das Gesetz sicher, dass dem Betroffenen in jedem Falle trotz Anrechnung ein monatlicher Rentenanspruch in Höhe von 50% verbleibt (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).
Erhält eine Witwe oder ein Witwer eine Rente und heiratet sie oder er erneut, so wird eine Abfindung für die Rente in Höhe des 24fachen Monatsbetrages ausgezahlt, § 80 SGB VII. Dessen Berechnung hängt gemäß § 80 Abs. 2 SGB VII davon ab, wie früh oder spät die Wiederheirat nach dem Tod des Versicherten stattfindet.

Leistungen an Hinterbliebene: Auch diese können nach den §§ 63 ff. SGB VII Leistungen der Unfallversicherung erhalten, und zwar in Form von Renten, Sterbegeldern, Beilhilfen oder Erstattungen.
Bedeutsam ist die Beihilfe. Diese ist dann zu zahlen, wenn der Tod des Versicherten nicht auf dem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht und dessen Erwerbsminderung größer/ gleich 50% betrug (§ 71 Abs. 1 SGB VII). Durch die Beihilfe wird dann berücksichtigt, dass der Betroffene zu Lebzeiten nicht in vollem Umfange für sich und seine Familie vorsorgen konnte. Unter Umständen kann eine laufende Beihilfe nach Maßgabe des § 71 Abs. 4 SGB VII gewährt werden.

[box type=”info”]Schwerbehindert ist, wer einen Behinderungsgrad (GdB) von mindestens 50 hat.[/box]

Rechte Schwerbehinderter

Auf Grund dieses Umstandes werden Betroffene besonders geschützt, vor allem durch die Regelungen des SGB IX (Neuntes Sozialgesetzbuch). So soll Schwerbehinderten die Teilnahme am täglichen Leben im Allgemeinen bzw. am Berufsleben im Besonderen ermöglicht bzw. erleichtert werden. Letztlich geht es also um die Integration der Betroffenen.

Den Schwerbehinderten können Personen gleichgestellt werden, die einen GdB von 30 – 49 haben. Dies gilt z.B. dann, wenn ihnen auf diesem Wege ein Arbeitsplatz verschafft oder erhalten werden soll. Zuständig für die Gleichstellung ist die Bundesagentur für Arbeit.

Die Bewertung des Grades der Behinderung führt oftmals zu Rechtsstreitigkeiten vor den Sozialgerichten; dies gilt auch für etwaige Ansprüche auf einen Nachteilsausgleich.

Besonderer Kündigungsschutz für Schwerbehinderte

Schwerbehinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz, sofern sie im Zeitpunkt des Kündigungszugangs ununterbrochen länger als sechs Monate bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt waren (vgl. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Die Kündigungsfrist beträgt gemäß § 86 SGB IX im Mindestmaß vier Wochen.

Zustimmungserfordernis:

Eine Kündigung erfordert in jedem Fall die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes, § 85 SGB IX. Ferner muss das Integrationsamt den Betroffenen anhören, und eine Stellungnahme des Betriebs- oder Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung einholen; es soll stets auf eine gütliche Einigung hinwirken (§ 87 SGB IX).Wird die Zustimmung erteilt, muss die Kündigung binnen vier Wochen ausgesprochen werden (§ 88 Abs. 3 SGB IX).

Wurde vor Ausspruch der Kündigung keine Zustimmung eingeholt, so ist die Kündigung unwirksam. In manchen Fällen wird das Vorliegen der Zustimmung nach Ablauf eines Monats jedoch durch das Gesetz fingiert (§ 88 Abs. 5 SGB IX). Dies ist der Fall, wenn das Unternehmen in Insolvenz gegangen ist, oder wenn Betriebe oder Dienststellen stillgelegt werden.

Ausnahmen vom Kündigungsschutz:

Ausnahmen vom besondern Kündigungsschutz enthält § 90 SGB IX, die jedoch z.B. voraussetzen, dass der Betroffene einer Kündigung nicht widersprochen hat oder dass die Kündigung „witterungsbedingt“ ist.Vor allem muss gemäß § 90 Abs. 2a SGB IX die Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Kündigung nachgewiesen sein. Der Kündigungsschutz entfällt auch dann, wenn das Versorgungsamt keine entsprechende Feststellung treffen konnte, weil der Antragsteller seine Mitwirkungspflichten verletzt hat.

[box type=”alert”]Achtung: Der Arbeitnehmer kann sich gemäß § 90 Abs. 2a SGB IX nicht (mehr) darauf berufen, dass er vor Zugang der Kündigung bereits den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt hatte. Auch die vorherige Information des Arbeitgebers über das Vorhaben, einen entsprechenden Antrag zu stellen, genügt nicht (mehr).[/box]

Personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigung:

Bahnt sich aus Sicht des Arbeitgebers eine personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigung an, so muss er gemäß § 84 SGB IX frühzeitig u.a. die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt benachrichtigen, damit alle denkbaren Mittel ergriffen werden können, um die existierende Schwierigkeit zu beheben. Zu denken ist an Beratungen oder finanzielle Leistungen etc.

Schon dann, wenn ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen wiederholt oder ununterbrochen arbeitsunfähig ist, sind betriebliche Eingliederungsmaßnahmen mit dessen Zustimmung vorzunehmen, um einen frühzeitigen Schutz von Arbeitnehmern auch dann zu erwirken, wenn sie noch nicht als Schwerbehinderte anerkannt wurden. Insbesondere ist zu erörtern, wie die Arbeitsunfähigkeit behoben und ihr zukünftig vorgebeugt werden kann. Betriebliches Eingliederungsmanagement kann (!) von den Integrationsämtern durch Prämien oder Boni belohnt werden.

Außerordentliche Kündigung:

Im Falle der außerordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten gelten die §§ 85 ff. SGB entsprechend mit Ausnahme der ordentlichen Kündigungsfrist des § 86 SGB IX. Sobald der Arbeitgeber von dem die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund Kenntnis erlangt hat, muss er binnen zwei Wochen die Zustimmung des Integrationsamts beantragen, § 91 Abs. 2 SGB IX. Trifft dieses binnen weiterer zwei Wochen keine Entscheidung, so gilt die Zustimmung als erteilt (§ 91 Abs. 3 SGB IX).

Weist der außerordentliche Kündigungsgrund keinen Zusammenhang zur Schwerbehinderung auf, so „soll“ die Zustimmung zur Kündigung erteilt werden (§ 91 Abs. 4 SGB IX). Besteht der Kündigungsgrund in einem Streik oder einer Aussperrung, so sind Schwerbehinderte nach Beendigung der Arbeitskampfmaßnahme wieder einzustellen.

Anderweitige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses:

Schwerbehinderte werden nicht nur gegen Kündigungen besonders geschützt. Vielmehr ist eine Zustimmung des Integrationsamtes (s.o.) auch dann erforderlich, wenn es zu einer (teilweisen) Erwerbsminderung (auf Zeit) kommt oder der Betroffene berufsunfähig oder jedenfalls auf Zeit erwerbsunfähig wird (§ 92 SGB IX) und das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung beendet wird.