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Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhält, wer einen Arbeitsunfall erleidet oder an einer Berufskrankheit leidet. Sie ist Gegenstand des siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (kurz: SGB VII) sowie weiterer Normen.

Organisation und Leistungen im Überblick:

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften (Körperschaften des öffentlichen Rechts mit eigener Selbstverwaltung). Man unterscheidet landwirtschaftliche und gewerbliche Berufsgenossenschaften, wobei letztere in Gewerbezweige gegliedert sind. Hinzu kommen die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Finanziert wird die Unfallversicherung durch Steuergelder, vor allem aber durch die Beiträge der Unternehmer; deren Höhe richtet sich u.a. nach der Gefahrgeneigtheit der ausgeübten beruflichen Tätigkeiten.

Zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gehören gemäß § 22 SGB I Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und zur ersten Hilfe, Früherkennungsmaßnahmen bzgl. Berufskrankheiten, Heilbehandlungen, Maßnahmen zu Erhalt, Förderung und Besserung der Erwerbsfähigkeit, Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, Hinterbliebenenrente, Sterbegeld und Beihilfen, Rentenabfindungen, Haushaltshilfen und Betriebshilfen für Landwirte.

Die Unfallversicherung verfolgt zwei verschiedene Zwecke: Zum einen soll sie den Versicherten sozialen Schutz bieten. Kommt es z.B. zu einem Arbeitsunfall, sorgt der zuständige Träger dafür, dass der Arbeitnehmer und seine Familie einen Schadensausgleich unabhängig davon erhält, ob und von wem der Unfall verschuldet wurde. Auf diesem Wege wird zugleich die Haftung des Schädigers nach den Regeln des Privatrechts durch Versicherungsschutz ersetzt.

[box type=”alert”]Achtung: Die Unfallversicherung gewährt weder ein Schmerzensgeld, noch ersetzt sie Sachschäden![/box]

Beispiel: Der Arbeitnehmer A erleidet einen schweren Arbeitsunfall, bei dem sein privates Mobiltelefon und seine Beinprothese beschädigt werden. A selbst erleidet mehrere Knochenbrüche. – Die Unfallversicherung übernimmt die Heilbehandlungskosten, ersetzt aber nicht das Mobiltelefon des A. Eine Ausnahme gilt für die Beinprothese, da diese ein (medizinisches) Hilfsmittel ist (s. § 8 Abs. 3 SGB VII).

Versichertenkreis:

Zum geschützten Personenkreis gehören grds. alle Arbeitnehmer. Allerdings ist zwischen der Versicherung kraft Gesetzes und kraft Satzung zu unterscheiden:

Versicherung kraft Gesetz: § 2 SGB VII bietet einen umfangreichen Katalog darüber, wer kraft Gesetz Mitglied der Unfallversicherung ist. Hierzu zählen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor allem Beschäftigte (Personen, die nichtselbstständige Arbeit verrichten und weisungsabhängig in das Unternehmen eines anderen eingegliedert sind, vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV). Hinzu kommen z.B. Auszubildende, Personen, die in Behinderten- oder Blindenwerkstätten beschäftigt sind, bei Unglücksfällen oder Festnahmen helfen, Kinder in Tageseinrichtungen, Schüler, Studenten, Blutspender, Pflegepersonen, bestimmte Unternehmer und viele mehr. Grund der Pflichtversicherung ist regelmäßig die soziale Schutzbedürftigkeit aber auch der Gedanke der sozialen Entschädigung.

Dies gilt auch für die sog. „Wie-Beschäftigten“. Dies sind Personen, die zwar keine Beschäftigten, aber wie solche versichert sind, § 2 Abs. 2 SGB VII. So soll vermieden werden, dass jemand fremdnützig für einen anderen tätig wird, und nur deshalb keinen Versicherungsschutz erhalten soll, weil kein formgemäßes Beschäftigungsverhältnis gegeben ist.

[box type=”alert”]Achtung: Wie-Beschäftigung mit den Folgen, dass die gesetzliche Unfallversicherung und der Ausschluss der privaten Haftung eingreift, existiert auch im privaten Bereich, wenn z.B. jemand einem anderen aus Gefälligkeit bei Bauarbeiten hilft.[/box]

Versicherung kraft Satzung:

Eine Versicherungspflicht kann sich auch aus einer Satzung eines Versicherungsträgers ergeben. Erfasst sind hiervon Unternehmer und ihre Ehegatten, Personen, die sich auf einer Unternehmensstätte aufhalten (Besucher), ehrenamtlich Tätige, bürgerschaftlich Engagierte und Personen, die im Ausland für eine staatliche deutsche Einrichtung beschäftigt sind (§ 3 Abs. 1 SGB VII).

Freiwillige Versicherung:

Es gibt bestimmte Personen, die sich freiwillig versichern können, sofern sie einen schriftlichen Antrag stellen, § 6 SGB VII. Der Versicherungsschutz beginnt dann an dem Tag, an dem der Antrag eingeht und erlischt, wenn Beiträge oder Vorschüsse nicht binnen zwei Monaten nach Fälligkeit gezahlt werden, § 6 Abs. 2 SGB VII. Freiwillig versichern lassen können sich Unternehmer und mitarbeitende Ehegatten (mit Ausnahmen), Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften wie Unternehmer selbstständig tätig sind, Ehrenamtsträger gemeinnütziger Organisationen und Ehrenamtliche, die sich z.B. in Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften einsetzen.

Versicherungsfrei sind schließlich Personen, die der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bedürfen, weil sie bereits anderweitig abgesichert oder in der Lage sind, selbst vorzusorgen; hierzu gehören z.B. Beamte und Ärzte, § 4 SGB VII. Die Versicherungsfreiheit tritt automatisch ein.

Versicherte Tätigkeiten:

Dies sind Tätigkeiten, die den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründen, also z.B. die Tätigkeit als Rettungshelfer (§ 8 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII).

Gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII wird aber auch der Weg zur Arbeit hin und zurück geschützt, und zwar auch dann, wenn kleine Umwege eingelegt werden, weil man dann z.B. ein Kind zu einer Kindertagesstätte bringen oder einen Kollegen/anderen Versicherten zur Arbeit mitnehmen kann etc.

Nach der Rechtsprechung des BSG können auch Verhaltensweisen, die der Durchführung eines Arbeitskampfes dienen, als versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII angesehen werden. Dies gilt z.B. dann, wenn ein Streikposten verletzt wird.

Zusätzliche Haftung:

Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit kann es zusätzlich zu einer Schadensersatzhaftung des Arbeitgebers oder der Kollegen der Betroffenen kommen.

 

Präventionsleistungen: Ziel der Unfallversicherung ist die Verhinderung von Berufsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Zu diesem Zweck erlassen die Versicherungsträger sog. Unfallverhütungsvorschriften, die branchenspezifisch sind und deren Einhaltung durch Aufsichtsbeamte überwacht wird (§§ 15 ff. SGB VII).

Leistungen im Versicherungsfall: Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit (s.o.) sollen die Versicherungsträger die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln fördern oder eine Entschädigung in Geld an die Hinterbliebenen zahlen (vgl. § 1 Nr. 2 SGB VII).
Zu den Leistungen zählen Heilbehandlungsmaßnahmen, Verletztengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, Pflegegeld, Hinterbliebenen- oder Verletztenrente und Rehabilitationsmaßnahmen medizinischer, aber auch sozialer oder berufsfördernder Art (§ 26 As. 1 SGB VII). Ziel dieser Leistungen sind vornehmlich die Besserung bzw. Behebung von Gesundheitsschäden und Folgeschäden. Zumindest aber soll vermieden werden, dass sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung noch steigert. Zudem soll dem Betroffenen (wieder) die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Aus diesem Grunde sind auch vorrangig Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren, bevor der Betroffene eine Rente verlangen kann (vgl. § 26 Abs. 3 SGB VII).

Heilbehandlungen: Die Unfallversicherer müssen alle Behandlungsmaßnahmen ermöglichen, die der Heilung des Betroffenen dienlich sind. Hierzu wird der Versicherte zunächst durch einen „Durchgangsarzt“ untersucht, der feststellt, ob eine fachmedizinische oder speziell unfallmedizinische Behandlung erforderlich ist. Im letzteren Fall kann der Betroffene in einer Unfallklinik behandelt werden; solche Kliniken der Unfallversicherer sind auf die Behandlung (bestimmter) Arbeitsunfallschäden spezialisiert.
Alle Behandlungsmaßnahmen müssen dem gegenwärtigen medizinischen Standard entsprechen und werden in Form von Dienst- und/oder Sachleistungen erbracht, §§ 26 Abs. 4, 28 Abs. 2 und 3 SGB VII.
Zu den Heilbehandlungsmaßnahmen zählen gemäß § 27 Abs. 1 SGB VII die Erstversorgung, ärztliche und zahnärztliche Behandlungen, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, die Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, sowie bestimmte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zählen zahlreiche Wiedereingliederungsmaßnahmen, aber auch Leistungen zur Teilnahme am Gemeinschaftsleben sowie ergänzende Leistungen (s. §§ 35 ff. SGB VII).
Beispiele: Kraftfahrzeughilfe, Wohnungshilfe, Beratungen, Haushaltshilfen.
Auch bei Pflegebedürftigkeit des Betroffenen werden besondere Leistungen erbracht. Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VII wird dann entweder ein Pflegegeld gezahlt, eine Pflegekraft gestellt oder der Betroffene in einem Pflegeheim untergebracht, solange er nicht in der Lage ist, die gewöhnlichen und wiederkehrenden Aufgaben des alltäglichen Lebens zu verrichten.

Geldleistungen: Es gibt zwei Arten von Geldleistungen, die von der Unfallversicherung erbracht werden. Zum einen das Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII), welches als Ausgleich dafür gezahlt wird, dass ein Versicherter arbeitsunfähig geworden ist oder zumindest nicht mehr ganztägig arbeiten kann. Es handelt sich daher um eine Variante der Entgeltfortzahlung, die sich an die Entgeltfortzahlung nach dem EFZG anschließt und gleich lautende Ansprüche gegen die Krankenversicherung aufhebt.
Zum anderen erhält der Betroffene ein Übergangsgeld nach den §§ 49 ff. SGB VII, wenn er Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (s.o.) erhält.

Renten: Der Versicherte erhält nach den §§ 56 ff. SGB VII eine Rente, wenn seine Erwerbsfähigkeit durch den Arbeitsunfall oder Berufskrankheit vermindert wurde (sog. Verletztenrente). Zugleich soll der Betroffene durch sie eine Entschädigung für erlittene Schmerzen erhalten.
Vorauszusetzen ist, dass die Erwerbsfähigkeit längerfristig, also länger als 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalles, um wenigstens 20% gemindert ist, § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Beruht die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf mehreren Vorfällen bzw. Ereignissen, so müssen diese insgesamt zu einer Reduzierung um mindestens 20% führen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Ob diese Grenzen erreicht sind, entscheidet zwar der Richter, doch muss er sich insoweit auf ein medizinisches Gutachten stützen.
Die Erwerbsminderung wird abstrakt berechnet und erfasst die verringerten Möglichkeiten des Betroffenen, seinem bisherigen Erwerb nachzukommen und seine beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen einzusetzen (vgl. § 56 Abs. 2 SGB VII). Konkrete Benachteiligungen müssen daher nicht nachgewiesen werden; es genügt, wenn die Erwerbsfähigkeit abstrakt nach dem Versicherungsfall um 20% geringer ist als vor dem Versicherungsfall.
Die Höhe der Verletztenrente hängt von dem Jahresarbeitsverdienst des Betroffenen in den letzten 12 Monaten vor Eintritt des Versicherungsfalls ab. Bei Personen, die kraft Satzung versichert sind, also z.B. Unternehmer, wird der Jahresarbeitsverdienst hingegen mit einem bestimmten Prozentsatz kraft Satzung ermittelt.
Diese Summe aus Arbeitseinkommen und -entgelt wird zu zwei Dritteln angesetzt und mit dem Prozentgrad der erlitten Erwerbsfähigkeitsminderung multipliziert, wenn die Erwerbsfähigkeit nur reduziert ist. Falls die Erwerbsfähigkeit insgesamt weggefallen ist, besteht stattdessen ein Rentenanspruch in Höhe von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes, § 56 Abs. 3 SGB VII.

Abfindung: Die Abfindung ersetzt nach den §§ 75 ff. SGB VII die voraussichtlich zu zahlende Rente in Form einer Gesamtvergütung.
Eine Abfindung wird z.B. dann gezahlt, wenn damit zu rechnen ist, dass eine Rente nur als vorläufige Entschädigung gezahlt werden würde, § 75 S. 1 SGB VII. Mit Ablauf des Zeitraums, den die Abfindung abdecken sollte, kann eine Rente als vorläufige Entschädigung oder auf unbestimmte Zeit beantragt werden.
Eine Abfindung kann gemäß § 76 SGB VII auch ein Versicherter beantragen, dessen Erwerbsminderung unterhalb 40% liegt. Vorauszusetzen ist, dass mit einer weiteren, wesentlichen Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Sollte eine solche nach Auszahlung wider Erwarten dennoch eingetreten sein, so wird insoweit eine Rente gezahlt.
Einen vergleichbaren Anspruch enthält § 78 SGB VII für Fälle, in denen der Versicherte eine Erwerbsfähigkeitsminderung größer/gleich 40% erlitten hat. Allerdings muss er dann zusätzlich bereits das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Berechnung der Abfindung ist in § 79 SGB VII geregelt: Sie wird bis zur Hälfte für 10 Jahre abgefunden, sodass während dieser Zeit die Rentenansprüche anteilig erlöschen. Die Abfindung beträgt das Neunfache des zugrundeliegenden Jahresbetrages der Rente.
Mit dem etwaigen Eintritt der Schwerverletzteneigenschaft lebt ein Rentenanspruch gemäß § 77 SGB VII wieder auf, auch wenn der Betroffene eine Abfindung erhalten hat. Allerdings kann die Abfindung dann auf die Rentenzahlungen angerechnet werden, die ohne Abfindung in der Zwischenzeit ausgezahlt worden wären. Jedoch stellt das Gesetz sicher, dass dem Betroffenen in jedem Falle trotz Anrechnung ein monatlicher Rentenanspruch in Höhe von 50% verbleibt (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).
Erhält eine Witwe oder ein Witwer eine Rente und heiratet sie oder er erneut, so wird eine Abfindung für die Rente in Höhe des 24fachen Monatsbetrages ausgezahlt, § 80 SGB VII. Dessen Berechnung hängt gemäß § 80 Abs. 2 SGB VII davon ab, wie früh oder spät die Wiederheirat nach dem Tod des Versicherten stattfindet.

Leistungen an Hinterbliebene: Auch diese können nach den §§ 63 ff. SGB VII Leistungen der Unfallversicherung erhalten, und zwar in Form von Renten, Sterbegeldern, Beilhilfen oder Erstattungen.
Bedeutsam ist die Beihilfe. Diese ist dann zu zahlen, wenn der Tod des Versicherten nicht auf dem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht und dessen Erwerbsminderung größer/ gleich 50% betrug (§ 71 Abs. 1 SGB VII). Durch die Beihilfe wird dann berücksichtigt, dass der Betroffene zu Lebzeiten nicht in vollem Umfange für sich und seine Familie vorsorgen konnte. Unter Umständen kann eine laufende Beihilfe nach Maßgabe des § 71 Abs. 4 SGB VII gewährt werden.