Eine während der Probezeit ausgesprochene Kündigung ist wirksam, weil das Kündigungsschutzgesetz bis dahin noch keine Anwendung findet, auch wenn zuvor ein schwerer Arbeitsunfall geschehen ist. Dies entschied das Arbeitsgericht Solingen.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten seit dem 19.09.2011 als Industriemechaniker tätig. Bei einem Arbeitsunfall am 16.11.2011 wurden ihm vier Finger der rechten Hand abgetrennt. Drei der viert Finger konnten wieder reimplantiert. Die Beklagte meldete daraufhin den Unfall unverzüglich der Berufsgenossenschaft.

Danach wurde der Kläger zum 09.02.2012 gekündigt. Der Kläger klagt nun gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Solingen.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Solingen wies die Kündigungsschutzklage ab. Es führte auf, dass es für die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung bedarf, weil die sechsmonatige Wartezeit für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht abgelaufen war.

[box type=”info”]WICHTIG: Die Klage wurde dann vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückgenommen. (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Klagerücknahme vom 19.09.2012 – 14 Sa 1186/12 -)[/box]

FAZIT: Im Ergebnis heisst das, dass der Arbeitsunfall für die Kündigung keine Bedeutung hat und nicht zu berücksichtigen ist.

[box type=”alert”]BEACHTE: Ein Arbeitgeber hat bei einer Kündigung während der Probezeit die Voraussetzungen des § 622 Abs. 3 zu beachten[/box]

Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 10.05.2012 – 2 Ca 198/12 –

Stürzt eine Pflegeperson während sie nicht aktiv eine Pflegetätigkeit verrichtet, so handelt es sich hierbei nicht um einen Arbeitsunfall. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe.

Der Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall war umstritten gewesen, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat. Sie pflegt seit mehreren Jahrzehnten ihren schwer pflegebedürftigen Ehemann. Dieser ist in seiner Mobilität stark eingeschränkt. Am Unfalltag sollte der Ehemann gegen 8:00 Uhr ins Krankenhaus gebracht werden. Auf dieser Fahrt wollte die Klägerin ihn begleiten, deshalb machte sie gegen 6 Uhr ihren Koffer fertig. Während dieser Vorbereitung stürzte die Klägerin die Treppe herunter und zog sich zahlreiche Verletzungen zu. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil die Klägerin zum Unfallzeitpunkt keinen Versicherungsschutz hatte und außerdem zum Unfallzeitpunkt keine aktive Pflegetätigkeit an ihrem Ehemann verrichtet hatte.

Die Entscheidung

Die Klägerin erhob daraufhin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe, die aber erfolglos blieb. Das Sozialgericht Karlsruhe entschied, dass die Klägerin nicht in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt, denn der Versicherungsschutz setzt voraus, dass die Tätigkeiten des Pflegers überwiegend dem Pflegebedürftigen, also ihrem Ehemann zugutekommt. Dabei können zwar auch vorbereitende Handlungen dem Versicherungsschutz unterfallen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn aktiv eine Tätigkeit ausgeführt wird, die einen Bezug zur Pflegetätigkeit hat. Diese Voraussetzung sind hier angesichts der zeitlichen Differenz von zwei Stunden zwischen der Vorbereitungshandlung (den Koffer packen) und der beabsichtigten Hilfeleistung (dem Fahren zum Krankenhaus) nicht erfüllt. Aus diesem Grund ist ein Arbeitsunfall nicht gegeben.

Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 09.08.2012 – S 1 U 4760/11 –

„Der Mensch sei edel, hilfreich und gut.“, heißt es bekanntlich. Verletzt sich aber derjenige, der einem anderen Hilfe leistet bei seiner guten Tat, kann es sein, dass er sich „zur Belohnung“ mit den Versicherungen streiten muss, wer für seinen Schaden aufkommt.
So geschehen im Fall eines vierzehnjährigen Schülers, der einem sechsjährigen Mädchen zu Hilfe eilte, das beim Spielen – wie auch immer – auf das Betriebsgelände eines Energieversorgungsunternehmens gelangt war, und nun nicht mehr zurück auf den Spielplatz gelangen konnte. Auch die anwesende Mutter konnte dem eingeschlossenen Kind nicht helfen. Dafür kletterte der hilfsbereite Jugendliche über den Werkszaun und trug das Mädchen herüber.
Dabei muss er sich wohl verletzt haben. Was genau geschah, erwähnt das BSG in seiner entsprechenden Pressemitteilung zwar nicht. Wohl aber kommt es in seinem zugehörigen Urteil vom 15.06.2010 (Az.: B 2 U 12/09 R) zu dem Ergebnis, dass der Jugendliche einen Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) erlitten hatte, für den der zuständige Versicherungsträger aufkommen müsse.
Dies begründet das Gericht mit der Regelung des § 2 I Nr. 13a) SGB VII, denn der Junge habe einem anderen in einem Unglücksfall Hilfe geleistet. Ein solcher sei schon dann anzunehmen, wenn ein wichtiges Individualrechtsgut geschädigt oder gefährdet werden könnte. Bei diesem bedrohten Rechtsgut müsse es sich nicht zwingend um Leib oder Leben eines Menschen handeln. Da sich das Mädchen weder aus eigener Kraft noch mit Hilfe der Mutter aus seiner Lage befreien konnte, war sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht, sich frei fortzubewegen (Art. 11 GG) bedroht. Hätte der Junge nicht eingegriffen, hätte die Mutter vermutlich Polizei oder Feuerwehr alarmieren müssen. Beides spreche für die Annahme eines Unglücksfalles im Sinne der genannten Regelung des SGB VII.
Folglich genoss der Jugendliche Versicherungsschutz nach dem SGB VII und das BSG gab seiner Klage gegen die zuständige Unfallkasse statt.

Bei den Worten „Arbeits-„ oder „Berufsunfall“ dürften die meisten Menschen wohl an abgetrennte Gliedmaßen oder Stürze von Leitern und Gerüsten etc. denken. Aber auch ein Sportunfall kann unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitsunfall anerkannt werden.

Besonders einleuchtend ist dies für Berufssportler wie z.B. Bundesligaspieler, die als Beschäftigte ihres jeweiligen Vereins regulär durch die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) geschützt sind. Entsprechendes gilt für Schüler während des Sportunterrichts.

In ständiger Rechtsprechung hat das BSG darüber hinaus anerkannt, dass auch der Sportunfall eines „normalen“ Arbeitnehmers ein von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasster Arbeitsunfall sein kann. Dies setzt allerdings voraus, dass sich der Unfall bei der Ausübung sportlicher Betätigung ereignet, die der Arbeitgeber unternehmensbezogen organisiert, um seinen Angestellten einen kontinuierlichen Ausgleich für ihre berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Man spricht dann von sog. „Betriebssportlern“. Weiterlesen