Sportunfall als Arbeitsunfall
Bei den Worten „Arbeits-„ oder „Berufsunfall“ dürften die meisten Menschen wohl an abgetrennte Gliedmaßen oder Stürze von Leitern und Gerüsten etc. denken. Aber auch ein Sportunfall kann unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitsunfall anerkannt werden.
Besonders einleuchtend ist dies für Berufssportler wie z.B. Bundesligaspieler, die als Beschäftigte ihres jeweiligen Vereins regulär durch die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) geschützt sind. Entsprechendes gilt für Schüler während des Sportunterrichts.
In ständiger Rechtsprechung hat das BSG darüber hinaus anerkannt, dass auch der Sportunfall eines „normalen“ Arbeitnehmers ein von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasster Arbeitsunfall sein kann. Dies setzt allerdings voraus, dass sich der Unfall bei der Ausübung sportlicher Betätigung ereignet, die der Arbeitgeber unternehmensbezogen organisiert, um seinen Angestellten einen kontinuierlichen Ausgleich für ihre berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Man spricht dann von sog. „Betriebssportlern“.
Allerdings besteht weiterhin erheblicher Klärungsbedarf, ob und unter welchen Voraussetzungen die gesetzliche Unfallversicherung tatsächlich für einen Sportunfall aufkommen muss. Das Bundessozialgericht hatte daher am 30.06.2009 zwei weitere Fälle aus diesem Problemfeld zu entscheiden.
Im ersten Verfahren (Az.: B 2 U 22/08 R) ging es um eine international erfolgreiche Judoka (Klägerin) des Deutschen Judobundes (DJB) und der Nationalmannschaft, die zugleich als Steuer- und Zollsachbearbeiterin bei VW angestellt war. Für die Hälfte ihrer regulären Arbeitszeit war sie bei Fortzahlung ihres Arbeitslohns in voller Höhe von ihrer Arbeitgeberin von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt worden, damit sie genug Zeit zum trainieren hatte. Am 27.09.1990 hatte sie bei diesem einen Sportunfall erlitten, um dessen Anerkennung als Arbeitsunfall noch immer gestritten wird.
Das zuständige Landessozialgericht hatte eine Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung verneint, während das Bundessozialgericht in seinem Urteil zumindest zu dem Ergebnis kommt, dass nach den bisherigen Feststellungen des LSG das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. So sei noch zu klären, ob die Klägerin kraft ihres Arbeitsvertrages mit VW zum Training verpflichtet gewesen sei. Dies könne der Fall sein, obwohl dort von einer „Freistellung“ der Klägerin die Rede sei. Entscheidend sei nur, ob sich das Weisungs- und Direktionsrecht des Arbeitsgebers auch und gerade auf die sportliche Betätigung beziehe und ob das Training in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert sei. Das BSG hat den Fall daher zur weiteren Aufklärung an das LSG zurückverwiesen.
Der im zweiten Fall (Az.: B 2 U 19/08 R) streitige Sportunfall liegt sogar noch weiter zurück: Die Klägerin war als Schülerin Mitglied des Leistungskaders des Sportclubs Chemie Halle und besuchte die Kinder- und Jugendsportschule „Friedrich-Engels“ Halle. Am 08.09.1981 stürzte sie in einer Halle ihres Sportclubs bei einem Flick-Flack, wodurch sie sich an der Halswirbelsäule verletzte.
Hier kam das zuständige Landessozialgericht zur Anerkennung eines Sportunfalls, wogegen der beklagte Unfallversicherer Revision einlegte, da sich der Unfall nicht in einer Turnhalle der Sportschule zugetragen habe, sondern in einer Club-Halle. Vor dem BSG hatte er damit jedoch keinen Erfolg: Dieses stellte darauf ab, dass das Training der Klägerin zu ihrem Lehrplan gehört habe, sodass die genannte Schule für dessen Organisation verantwortlich sei. Ferner wurde das Training von Sportlehrern der Schule durchgeführt und überwacht, sodass letztere auch unter dem Gesichtspunkt personeller und organisatorischer Verflechtung für die Trainingsgestaltung jedenfalls mitverantwortlich gewesen sei. Dem stehe im Übrigen nicht entgegen, dass sich der Unfall in einer Halle des Sportclubs ereignet hatte: Die gesetzliche Unfallversicherung für Schüler sei nämlich nicht (stets) auf das Schulgelände beschränkt, da Unterricht häufig in anderen, schulfremden Gebäuden erteilt werde bzw. erteilt werden müsse. Somit musste die beklagte Unfallversicherung für den Sportunfall der Klägerin aufkommen.