Die Berufskrankheitenverordnung (BKV) enthält in BK 3101 folgenden Tatbestand: “Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war”. Es richtet sich, so das Bundessozialgericht – B 2 U 22/10 R – Urteil vom 15.09.2011, nach dem Grad der Durchseuchung des versicherten Tätigkeitsbereiches und dem Übertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen, ob “Einwirkungen” im Sinne einer erhöhten Infektionsgefahr vorliegen oder nicht.
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Eine Krankheit ist nach § 9 I SGB VII dann eine Berufskrankheit, wenn sie infolge einer versicherten Tätigkeit eintritt und zusätzlich als Berufskrankheit anerkannt ist. Für welche Erkrankungen dies zutrifft, ist grundsätzlich der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung zu entnehmen.
Sollte eine Krankheit dort aber (noch) nicht aufgeführt sein, so kann sie dennoch wie eine Berufskrankheit (sog. Quasi-Berufskrankheit) behandelt, also entschädigt, werden, wenn sie nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf Einwirkungen beruht, denen eine bestimmte Personengruppe durch ihren Beruf viel häufiger ausgesetzt ist als der Rest der Bevölkerung (vgl. § 9 II SGB VII, sog. Gruppentypik). Weiterlesen
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Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhält, wer einen Arbeitsunfall erleidet oder an einer Berufskrankheit leidet. Sie ist Gegenstand des siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (kurz: SGB VII) sowie weiterer Normen.
Organisation und Leistungen im Überblick:
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften (Körperschaften des öffentlichen Rechts mit eigener Selbstverwaltung). Man unterscheidet landwirtschaftliche und gewerbliche Berufsgenossenschaften, wobei letztere in Gewerbezweige gegliedert sind. Hinzu kommen die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Finanziert wird die Unfallversicherung durch Steuergelder, vor allem aber durch die Beiträge der Unternehmer; deren Höhe richtet sich u.a. nach der Gefahrgeneigtheit der ausgeübten beruflichen Tätigkeiten.
Zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gehören gemäß § 22 SGB I Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und zur ersten Hilfe, Früherkennungsmaßnahmen bzgl. Berufskrankheiten, Heilbehandlungen, Maßnahmen zu Erhalt, Förderung und Besserung der Erwerbsfähigkeit, Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, Hinterbliebenenrente, Sterbegeld und Beihilfen, Rentenabfindungen, Haushaltshilfen und Betriebshilfen für Landwirte.
Die Unfallversicherung verfolgt zwei verschiedene Zwecke: Zum einen soll sie den Versicherten sozialen Schutz bieten. Kommt es z.B. zu einem Arbeitsunfall, sorgt der zuständige Träger dafür, dass der Arbeitnehmer und seine Familie einen Schadensausgleich unabhängig davon erhält, ob und von wem der Unfall verschuldet wurde. Auf diesem Wege wird zugleich die Haftung des Schädigers nach den Regeln des Privatrechts durch Versicherungsschutz ersetzt.
[box type=”alert”]Achtung: Die Unfallversicherung gewährt weder ein Schmerzensgeld, noch ersetzt sie Sachschäden![/box]
Beispiel: Der Arbeitnehmer A erleidet einen schweren Arbeitsunfall, bei dem sein privates Mobiltelefon und seine Beinprothese beschädigt werden. A selbst erleidet mehrere Knochenbrüche. – Die Unfallversicherung übernimmt die Heilbehandlungskosten, ersetzt aber nicht das Mobiltelefon des A. Eine Ausnahme gilt für die Beinprothese, da diese ein (medizinisches) Hilfsmittel ist (s. § 8 Abs. 3 SGB VII).
Versichertenkreis:
Zum geschützten Personenkreis gehören grds. alle Arbeitnehmer. Allerdings ist zwischen der Versicherung kraft Gesetzes und kraft Satzung zu unterscheiden:
Versicherung kraft Gesetz: § 2 SGB VII bietet einen umfangreichen Katalog darüber, wer kraft Gesetz Mitglied der Unfallversicherung ist. Hierzu zählen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor allem Beschäftigte (Personen, die nichtselbstständige Arbeit verrichten und weisungsabhängig in das Unternehmen eines anderen eingegliedert sind, vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV). Hinzu kommen z.B. Auszubildende, Personen, die in Behinderten- oder Blindenwerkstätten beschäftigt sind, bei Unglücksfällen oder Festnahmen helfen, Kinder in Tageseinrichtungen, Schüler, Studenten, Blutspender, Pflegepersonen, bestimmte Unternehmer und viele mehr. Grund der Pflichtversicherung ist regelmäßig die soziale Schutzbedürftigkeit aber auch der Gedanke der sozialen Entschädigung.
Dies gilt auch für die sog. „Wie-Beschäftigten“. Dies sind Personen, die zwar keine Beschäftigten, aber wie solche versichert sind, § 2 Abs. 2 SGB VII. So soll vermieden werden, dass jemand fremdnützig für einen anderen tätig wird, und nur deshalb keinen Versicherungsschutz erhalten soll, weil kein formgemäßes Beschäftigungsverhältnis gegeben ist.
[box type=”alert”]Achtung: Wie-Beschäftigung mit den Folgen, dass die gesetzliche Unfallversicherung und der Ausschluss der privaten Haftung eingreift, existiert auch im privaten Bereich, wenn z.B. jemand einem anderen aus Gefälligkeit bei Bauarbeiten hilft.[/box]
Versicherung kraft Satzung:
Eine Versicherungspflicht kann sich auch aus einer Satzung eines Versicherungsträgers ergeben. Erfasst sind hiervon Unternehmer und ihre Ehegatten, Personen, die sich auf einer Unternehmensstätte aufhalten (Besucher), ehrenamtlich Tätige, bürgerschaftlich Engagierte und Personen, die im Ausland für eine staatliche deutsche Einrichtung beschäftigt sind (§ 3 Abs. 1 SGB VII).
Freiwillige Versicherung:
Es gibt bestimmte Personen, die sich freiwillig versichern können, sofern sie einen schriftlichen Antrag stellen, § 6 SGB VII. Der Versicherungsschutz beginnt dann an dem Tag, an dem der Antrag eingeht und erlischt, wenn Beiträge oder Vorschüsse nicht binnen zwei Monaten nach Fälligkeit gezahlt werden, § 6 Abs. 2 SGB VII. Freiwillig versichern lassen können sich Unternehmer und mitarbeitende Ehegatten (mit Ausnahmen), Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften wie Unternehmer selbstständig tätig sind, Ehrenamtsträger gemeinnütziger Organisationen und Ehrenamtliche, die sich z.B. in Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften einsetzen.
Versicherungsfrei sind schließlich Personen, die der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bedürfen, weil sie bereits anderweitig abgesichert oder in der Lage sind, selbst vorzusorgen; hierzu gehören z.B. Beamte und Ärzte, § 4 SGB VII. Die Versicherungsfreiheit tritt automatisch ein.
Versicherte Tätigkeiten:
Dies sind Tätigkeiten, die den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründen, also z.B. die Tätigkeit als Rettungshelfer (§ 8 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII).
Gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII wird aber auch der Weg zur Arbeit hin und zurück geschützt, und zwar auch dann, wenn kleine Umwege eingelegt werden, weil man dann z.B. ein Kind zu einer Kindertagesstätte bringen oder einen Kollegen/anderen Versicherten zur Arbeit mitnehmen kann etc.
Nach der Rechtsprechung des BSG können auch Verhaltensweisen, die der Durchführung eines Arbeitskampfes dienen, als versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII angesehen werden. Dies gilt z.B. dann, wenn ein Streikposten verletzt wird.
Zusätzliche Haftung:
Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit kann es zusätzlich zu einer Schadensersatzhaftung des Arbeitgebers oder der Kollegen der Betroffenen kommen.
Eine Krankheit gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erst dann als Berufskrankheit, wenn sie infolge einer versicherten Tätigkeit eintritt und kraft Rechtsverordnung (Berufskrankheitenverordnung, s.u.) als solche anerkannt ist. Dann kann ggf. die Ursächlichkeit der beruflichen Tätigkeit für die Berufskrankheit vermutet werden (§ 9 Abs. 3 SGB VII).
Kennzeichnend ist der Umstand, dass die Krankheit nicht durch ein einmaliges Ereignis begründet wird – dann ist an einen Arbeitsunfall zu denken –, sondern sich oft erst im Laufe der Zeit entwickelt.
Beispiel: Arbeitnehmer A kommt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit immer wieder mit Chemikalien in Kontakt und erleidet nach 20 Berufsjahren eine Erkrankung der Atemwege.
Krankheiten, durch die sich das allgemeine Lebensrisiko realisiert, sind nicht beruflich veranlasst und daher keine Berufskrankheiten.
Anerkennungsfähig sind Krankheiten, die nach medizinischen Erkenntnissen durch Einwirkungen verursacht werden, die bestimmte Personen durch ihre Berufsausübung viel häufiger erleiden als der Rest der Bevölkerung.
Da die Rechtsverordnung nicht ohne Weiteres in der Lage ist mit der Geschwindigkeit medizinischer Forschungen Schritt zu halten, wird eine Krankheit auch ohne Bezeichnung in ihr anerkannt, sofern nur die Medizin eine Verbindung von versicherter Tätigkeit und Krankheitsbild herleiten kann, § 9 Abs. 2 SGB VII.
Berufskrankheiten nach der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung:
Krankheiten, die durch chemische Einwirkungen von Metallen und Metalloiden entstehen, z.B. durch Blei, Quecksilber, Chrom, Cadmium, Mangan, Thallium, Vanadium, Arsen, Phospor und Beryllium und durch Verbindungen mit diesen Stoffen Krankheiten, die im Zusammenhang mit Erstickungsgasen entstehen, genauer durch Kontakt mit Kohlenmonoxid oder Schwefelwasserstoff Erkrankungen, die sich aus chemischen Einwirkungen durch Lösemittel, Schädlingsbekämpfungsmitteln und sonstigen chemischen Stoffen ergeben: Schleimhautveränderungen, Krebs und andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine;
Erkrankungen durch Kontakt mit Halogenkohlenwasserstoffen; Benzol (seine Homologe, bestimmte Verbindungen und Abkömmlinge oder Styrol); Schwefelkohlenstoff; Methylalkohol; organische Phosphorverbindungen; Fluor (und seine Verbindungen); Salpetersäureester; Akyl-/Aryl-/Alkylaryloxide; Alkyl-/Aryl-/Alkylarysulfide; Zahnerkrankungen durch Säurekontakt; Hornhautschädigungen des Auges durch Benzochinon; para-tertiär-Butylphenol; Isocyanate (nur in schlimmen Fällen); Lebererkrankungen durch Dimethylformamid; Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel (oder Mischungen)
Krankheiten, die auf mechanischen Einwirkungen beruhen: Erkrankungen der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes, der Sehnen- oder Muskelansätze (je in schlimmen Fällen); Meniskusschäden (infolge besonderer Beanspruchung); Erkrankungen durch Erschütterungen (Tätigkeit mit Druckluftwerkzeugen etc.); vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen (in schlimmen Fällen); chronische Schleimbeutelerkrankungen; Druckschädigung der Nerven; Abrissbrüche der Wirbelfortsätze; Bandscheibenerkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule durch ständiges Heben, Tragen, Arbeit in gebeugter Haltung oder durch Erschütterungen bei sitzender Tätigkeit (in schlimmen Fällen)
Zahnabrasionen infolge längerer quarzstaubbelastender Tätigkeit
Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft
Lärmschwerhörigkeit
Strahlenerkrankungen: Grauer Star durch Wärmestrahlung; Krankheiten durch ionisierende Strahlen
Krankheiten, die auf Infektionserregern, Parasiten verursacht werden (z.B. Tropenkrankheiten): Infektionskrankheiten aus einer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege, in einem Labor und ähnlichen infektionsgeneigten Tätigkeiten; Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden; Wurmkrankheiten von Bergleuten durch Ankylostoma duodenale oder Strongyloides stercoralis; Tropenkrankheiten und Fleckfieber
Erkrankungen von Atemwegen, Lunge, Rippenfell und Bauchfell durch anorganische Stäube: Quarzstaublungenerkrankung (Silikose), auch in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose); Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) und Erkrankungen der Pleura, die auf Asbeststaub zurückgehen; Lungen- oder Kehlkopfkrebs (auch in Verbindung mit Asbestose, Pleuraerkrankungen durch Asbeststaub und unter weiteren Voraussetzungen); Mesotheliom des Rippen-/Bauchfells oder Perikards, das durch Asbest verursacht wurde; Lungen- und Atemwegserkrankungen durch Aluminium(verbindungen); Lungenfibrose durch Metallstäube; Lungen- und Atemwegserkrankungen durch Thomasmehl; bösartige Neubildungen der Atemwege bzw. der Lunge durch Nickel(verbindungen) oder Kokereirohgase; chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem bei Bergleuten (unter bestimmten Voraussetzungen); Lungenkrebs infolge Kontakt mit kristallinem Siliziumdioxid bei nachgewiesener Silikose oder Siliko-Tuberkulose;
Erkrankungen der Atemwege, der Lunge, des Rippen- oder Bauchfells durch organische Stäube: Exogen-allergische Alveolitis; Atemweges- und Lungenkrankheiten durch Rohbaumwoll-, Rohflachs oder Rohhanfstaub; Adenokarzinome in der Nasenhaupt- oder Nasennebenhöhle durch Eichen- oder Buchenholzstaub
Obstruktive Atemwegserkrankungen: Obstruktive Atemwegserkrankungen (inkl. Rhinopathie), die auf allergisierenden Stoffen beruhen (in schlimmen Fällen), oder die auf chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen zurückzuführen sind (ebenfalls in schlimmen Fällen)
Hautkrankheiten: Schwere, wiederkehrende Hauterkrankungen (in schlimmen Fällen); Hautkrebs oder Hautveränderungen, die zur Krebsbildung neigen, sofern auf Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe rückführbar
Augenzittern von Bergleuten
Bei Hauterkrankungen gelten z.T. zusätzliche Einschränkungen. Sollten Unsicherheiten bestehen, ob eine anerkannte Berufskrankheit vorliegt oder ob eine Erkrankung als solche anerkannt werden kann, obwohl sie nicht in der Rechtsverordnung aufgeführt ist, sollte unbedingt fach-anwaltlicher Rat eingeholt werden.
Jürgen Sauerborn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
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