Blindengeld kann nur verlangen wer blind oder als blind anerkannt ist

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Blinde Menschen können nach den jeweiligen Landesgesetzen die Zahlung eines Blindengeldes verlangen. So profan dies auch klingen mag, setzt ein etwaiger Anspruch natürlich voraus, dass der Anspruchsteller „blind“ ist. Wann ein Mensch blind ist oder zumindest als blind gilt, kann aber eine im Einzelfall schwer zu beantwortende Frage sein.

Nach einem Urteil des bayerischen Landessozialgerichts vom 27.07.2004 (Az.: L 15 BL 1/02) setzt der Anspruch auf Blindengeld jedenfalls keine völlige Erblindung voraus. Ein Leistungsanspruch könne vielmehr auch dann gegeben sein, wenn einerseits das Sehorgan geschädigt ist und andererseits eine höher, also oberhalb der Sehrinde, angesiedelte cerebrale (= das Gehirn betreffende) Störung existiert, sodass der Betroffene durch Kombination dieser Beeinträchtigungen „praktisch nicht sehen“ könne.

Dies könne z.B. der Fall sein, wenn eine Störung des Sehorgans mit einer visuellen Verarbeitungsstörung einhergehe und der Anspruchsteller daher einen Verlust des Sehvermögens erlitten hat, der einer „Sehschärfenbeeinträchtigung von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleich zu achten“ ist. Unter diesen Umständen sei der Betroffene als blind im Sinne von Art. 1 II Nr. 2 BayBlindG anzusehen. Zu fordern sei dann aber, dass eine erhebliche generelle cerebrale Schädigung vorliege, die alle cerebralen Leistungen inklusive der visuellen Verarbeitung erfasse.

Zu entscheiden hatte das Gericht über die Blindengeldberechtigung eines im Juni 2000 verstorbenen Mannes, der bereits seit langem auf dem rechten Auge blind war. Die Sehschärfe seines linken Auges wurde zuletzt mit 0,16 (ca. 1/6) angegeben, also größer 1/50. Aus diesem Grunde wurde sein Antrag auf Blindengeld durch Bescheid vom 09.06.2000 abgelehnt. Seine Witwe (Klägerin) legte gegen diesen Bescheid zunächst Widerspruch ein und erhob später Klage auf Zahlung eines Blindengeldes vor den Sozialgerichten. Sie trug vor, dass ihr Mann an einem linksseitigen Hirntumor gelitten habe, der dessen Sehfähigkeit weiter reduziert haben könne. Ferner seien u.a. Sprach- und Handlungs-Planungsstörungen aufgetreten. Allerdings ging es ihrem Ehemann bereits seit Anfang 2000 so schlecht, dass seine Sehstärke auf dem linken Auge nicht mehr überprüft werden konnte, weshalb der Zusammenhang von Tumorerkrankung und Sehverlust ebenfalls nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Die Klägerin trug vor, der fehlende Nachweis dürfe nicht zulasten der Blindengeldberechtigung ihres Mannes gehen, weil der beklagte Leistungsträger eine gutachterliche Untersuchung erst einen Monat vor dessen Tod durchführen ließ, obwohl der Antrag bereits Ende 1999 gestellt worden war.

Die Klage scheiterte jedoch in beiden Instanzen. Zum einen sei der Verstorbene weder völlig blind im Sinne von Art. 1 II BayBlindG gewesen, noch habe seine Sehschärfe auf dem linken Auge den Wert von 1/50 unterschritten, sodass auch die Voraussetzungen des Art. 1 II Nr. 1 BayBlindG nicht gegeben seien. Zum anderen seien aber auch die vorgetragenen Beeinträchtigungen insgesamt keiner Sehschärfenbeeinträchtigung von maximal 1/50 im Sinne des Art. 1 II Nr. 2 BayBlindG gleichzustellen.

Zwar sei es durchaus möglich, dass der Verstorbene infolge des Gehirntumors eine Halbseitenblindheit (sog. Hemianopsie) erlitt und es liege auch eindeutig eine Schädigung des Sehorganes vor. Es sei aber nicht mit Sicherheit nachgewiesen, dass er auch an einer höher angesiedelten cerebralen Störung litt, die das „Erkennen-Können“ der Umgebung beeinträchtigt hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es jedoch nicht ausreichend für eine Anerkennung als Blinder, wenn der Betroffene „nur“ Probleme beim „Benennen-Können“ von Gegenständen z.B. in Form von Sprachstörungen habe, diese aber ansonsten (vermutlich) erkennen könne. Mangels Nachweises einer Agnosie (Schädigung der visuellen Informationsverarbeitung) sei daher nicht davon auszugehen, dass der Verstorbene an einer cerebralen Störung gelitten habe. Etwaige Versäumnisse des beklagten Leistungsträgers änderten an diesem Befund nichts, da der Verstorbene bzw. die Klägerin insofern beweispflichtig sei und unklar erscheine, ob eine frühere Begutachtung zur Erkenntnis eines anderen Krankheitsbildes geführt hätte. Folglich sei der Verstorbene auch nicht als blind im Sinne von Art. 1 II Nr. 2 BayBlindG anzusehen, sodass er keinen Anspruch auf ein Blindengeld hatte.