Fibromyalgie begründet per se keinen Rentenanspruch wegen verringerter Erwerbsfähigkeit

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Immer mehr Menschen leiden unter der sog. Fibromyalgie (auch Fibrositissyndrom oder Tendomyopathie genannt), einer rheumatischen Erkrankung, die zu Schmerzen in Muskulatur, Knochen und Bindegewebe führt. Genauer gesagt treten diese Schmerzen an bestimmten Schmerzpunkten auf, den sog. tender points. Kennzeichnend ist dabei, dass ein pathologischer Befund auf internistischem, orthopädischem, psychiatrischem oder neurologischem Felde nicht eindeutig nachgewiesen werden kann.

Fraglich ist, ob Betroffene wegen ihrer Fibromyalgie einen Anspruch auf Rente wegen (teilweiser) Erwerbsunfähigkeit haben. Nach einem Urteil des bayerischen Landessozialgerichts vom 04.08.2005 (Az.: L 14 R 4241/02) ist diese Frage jedoch grundsätzlich zu verneinen. In dem zitierten Urteil wird vielmehr deutlich, dass das Gericht dem gesamten Phänomen der „Fibromyalgie“ eher zweifelnd, wenn nicht gar ablehnend gegenüber steht.

So hält das Gericht bereits den Begriff „Fibromyalgiesyndrom“ für einen „künstlich geschaffenen neuen Begriff“.

Dasselbe Krankheitsbild könne traditionell auch als „Somatisierungsstörung“ bzw. „somatoforme Schmerzstörung“ bezeichnet werden. Die Theorie über die Firbromyalgie sei erst in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts vom American College of Rheumatology entwickelt worden, wobei sich die Wissenschaftler auf die reine Beschreibung der Krankheitssymptome beschränkt hätten. Diese seien im Wesentlichen lang (mindestens drei Monate) anhaltende, über den gesamten Körper verteilte Schmerzen einerseits und das Vorliegen von mindestens 11 von insgesamt 18 definierten lokalen Schmerzpunkten – den tender points – bei einem „standardisierten Fingerdruck von vier Kilopond pro cm2“ andererseits. Im Zusammenhang mit der Fibromyalgie könnten zwar auch Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Depressionen, Ängste und diverse vegetative Beschwerden auftreten, doch sei in der Medizin noch nicht abschließend geklärt, ob diese Erscheinungen tatsächlich zu Voraussetzungen einer Fibromyalgiediagnose gemacht werden sollten.

Kritisch sieht das Gericht vor allem, dass die Ursachen einer Fibromyalgieerkranung noch nicht (sicher) ermittelt wurden. Insbesondere gebe es keinen objektivierbaren Befund, aus dem auf die Erkrankung geschlossen werden könne. Die Diagnose beruhe im konkreten Einzelfall vielmehr auf den subjektiven Angaben und Empfindungen des Patienten. Einzig die Schmerzpunkte könnten als „greifbarer“ Anhaltspunkt herangezogen werden. Diese Umstände führten aber dazu, dass zu beobachten sei, dass die Fibromyalgiediagnose oft eher einer „Verlegenheitsdiagnose“ entspreche, wenn der behandelnde Arzt keine sonstige Schmerzursache feststellen kann.

Das Rentenversicherungsrecht könne eine Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung aber nur dann anerkennen, wenn eine lang anhaltende Krankheit nachgewiesen wird, die kurzfristig nicht (völlig) geheilt werden kann. Entscheidend sei die Art und Schwere der Krankheitssymptome und die Frage, ob der Antragsteller nicht mehr in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den typischen Bedingungen tätig zu werden: Kann er zwar nicht mehr sechs Stunden täglich, aber immerhin noch mindestens drei Stunden pro Arbeitstag arbeiten, ist er „teilweise erwerbsgemindert“, ist er nicht einmal mehr in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten, ist er „voll erwerbsgemindert“.

Abstellend auf die medizinische Fachliteratur kommt das LSG Bayern jedenfalls zu dem Ergebnis, dass die meisten Patienten, die an einer Fibromyalgie leiden, noch erwerbstätig sind oder erwerbstätig sein können. Insbesondere bestünden Therapiemöglichkeiten, und wenn es auch schlimmstenfalls nur darum gehe, den Umgang mit dem Schmerz zu erlernen. Schließlich müsse der Fibromyalgiepatient das Vorliegen seiner Erkrankung und deren Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit konkret darlegen und beweisen, wobei etwaige Zweifel zu seinen Lasten gehen. Keinesfalls könne die zuständige Behörde oder die Gerichte allein auf einen „subjektiven Glauben“ an die eigene Arbeits- oder Leistungsunfähigkeit abstellen.

Aus alledem folgt, dass allein eine Fibromyalgie noch keine (völlige) Erwerbsminderung begründen kann, und dass die den Betroffenen obliegende Beweislast im Rentenprozess nicht zu unterschätzen ist.

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