Melanom in situ irrelevant für die Feststellung des Behinderungsgrades (GdB)
[box type=”info”]Medizinisch anerkannte gesundheitliche Beeinträchtigungen werden im Schwerbehindertenrecht durch den individuellen Grad der Behinderung (GdB) erfasst. Er soll zum Ausdruck bringen, inwieweit die Teilhabe des Betroffenen am alltäglichen gesellschaftlichen Leben durch eine Behinderung beeinträchtigt ist. Als Behinderung gilt wiederum jede (voraussichtlich) länger als sechs Monate bestehende Abweichung vom alterstypischen Zustand, die körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten und/oder die seelische Gesundheit betrifft (vgl. § 2 SGB IX).[/box]
Als Bewertungsmaßstäbe des GdB fungieren die sog. VMG, die Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Aus diesem rechtsverbindlichen Regelwerk folgt z.B., dass Krebskranken während der fünfjährigen Heilungsbewährungsfrist grundsätzlich ein GdB von 50 zusteht. Nach erfolgreichem Ablauf dieser Frist kann der GdB gemäß § 48 I SGB IX aber auch wieder zurückgestuft werden.
Nach einem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 04.11.2009 (Az.: 3 SB 82/09) ist eine derartige Rückstufung nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist z.B. auch dann gerechtfertigt, wenn bei einem Hautkrebspatienten in dieser Phase zwar kein neues Melanom, wohl aber wenig später ein Melanom in situ entstanden ist.
Die unterschiedliche Behandlung eines bösartigen (malignen) Melanoms einerseits und eines Melanoms in situ andererseits begründet das SG Aachen zunächst rechtlich damit, dass sie durch die VMG vorgegeben sei. Eine Heilungsbewährungsphase müsse nur bei malignen Melanomen abgewartet werden, nicht aber bei Basalzellkarzinomen, Bowen-Krankheit oder eben Melanoma in situ. Diese Bewertungsrichtlinien entsprächen dem gegenwärtig aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Stand und könnten auch im konkreten Einzelfall nicht durch ein Sachverständigengutachten o.Ä. widerlegt werden.
Entscheidend sei aber, dass auch medizinisch keine Gleichstellung hinsichtlich der GdB-Bewertung geboten sei: Das sog. Melanom in situ sei nämlich allenfalls eine Frühform des malignen Melanoms und daher relativ ungefährlich. Kennzeichnend sei, dass es die Begrenzung von Epidermis und Dermis, die sog. Basalmembran, noch nicht durchbrochen habe, weshalb ein Melanom in situ auch keine Metastasen bilde. Im Falle der operativen Entfernung sei der Patient geheilt, ohne dass eine Nachbehandlung erforderlich sei.
Folglich könne nach einer Hautkrebserkrankung der zunächst pauschal anerkannte GdB nach erfolgreichem Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährungsphase wieder aberkannt werden, selbst wenn dem Patienten in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang ein Melanom in situ entfernt werden müsse. Dabei verkennt das Gericht nicht die besondere Risikolage des Betroffenen wegen seiner vorausgehenden Krebserkrankung, die nach wie vor kontinuierliche Kontrolluntersuchungen erforderlich mache. Dies ändere aber nichts daran, dass ein Melanom in situ keinen eigenständigen GdB-Wert begründe bzw. der Aberkennung des bisherigen GdB nicht entgegenstehe.
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