Zur Konkurrenz mehrerer Unfallursachen für einen Arbeitsunfall
Ein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 I 1 SGB VII liegt vor, wenn einem in der gesetzlichen
Unfallversicherung Versicherten bei der Ausübung einer versicherten Tätigkeit ein Unfall
widerfährt. Letzteres ist nach § 8 I 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes Ereignis, das äußerlich
auf den Körper des Unfallopfers einwirkt und bei diesem zu einem Gesundheitsschaden oder dem Tod
führt.
Hinzukommen muss aber, dass ein innerer oder sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung, die konkret im Unfallzeitpunkt ausgeführt wurde, besteht. DieseVerrichtung muss ferner ihrerseits zu dem Unfall geführt haben (sog. Unfallkausalität) und der Unfall muss schließlich zu dem Gesundheitsschaden oder dem Tod des Versicherten geführt haben (sog. haftungsbegründende Kausalität).
Für die beiden zuletzt genannten Verursachungszusammenhänge gilt nach ständiger Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts die sog. „Theorie der wesentlichen Verursachung“. Nach dieser kann jeder
Umstand kausal für einen Erfolg (= Unfall, Unfallschaden) werden, der nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass auch der Erfolg entfiele (naturwissenschaftliche Kausalität); man spricht dann
von der Ursache als einer „conditio-sine-qua-non“. Diese Ursache muss aber ferner „wesentlich“ an
dem Erfolgseintritt mitgewirkt haben, wobei die Wesentlichkeit nach der praktischen
Lebensauffassung beurteilt wird.
Es kann aber vorkommen, dass neben einer versicherten Tätigkeit und der mit dieser im
Zusammenhang stehenden Verrichtung auch weitere Tatsachen (sog. Konkurrenzursachen) für den
Arbeitsunfall ursächlich geworden sein können. Dann scheidet die versicherte Tätigkeit als
Unfallursache nach einem Urteil des BSG vom 17.02.2009 (Az.: B 2 U 18/07 R) aber dennoch erst
dann aus, wenn sicher feststeht, dass die Konkurrenzursache überhaupt mitursächlich geworden war.
Vorauszusetzen ist also, dass die konkurrierende Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne kausal
geworden war. In diesem Falle sei nach der oben erläuterten Theorie zu überprüfen, welche
Unfallursache für den Gesundheitsschaden oder den Tod wesentlich war. Wenn aber schon die
naturwissenschaftliche Kausalität der Konkurrenzursache unklar sei, dann sei für derartige
Überlegungen kein Raum. Es bleibe dann vielmehr bei der Ursächlichkeit der im Unfallzeitpunkt
ausgeübten Tätigkeit, sodass sich der Unfall als Arbeitsunfall darstelle.
Im Ausgangsfall war ein ehrenamtlicher Rettungssanitäter der Johanniter-Unfall-Hilfe (Kläger)
gestürzt, als er Unterlagen holte, die er für seinen Einsatz benötigte. Neben einer
Kopfverletzung stellte der alarmierte Notfallarzt auch einen Krampfanfall fest. Bereits Jahre
zuvor hatte der Kläger Bewusstseinsverluste erlitten. Die Beklagte nahm daher an, dass der Sturz
auf einer inneren Ursache (= Konkurrenzursache) beruhe, sodass kein Arbeitsunfall vorliege. Die
daraufhin erhobene Klage auf u.a. Feststellung eines Arbeitsunfalles wurde von den zuständigen
Gerichten in erster und zweiter Instanz abgewiesen.
Unter Berufung auf die tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts bejahte das BSG
jedoch zunächst den sachlichen Zusammenhang der versicherten Tätigkeit des Klägers als
ehrenamtlicher Rettungssanitäter (vgl. § 2 I Nr. 12 SGB VII) und dem Besorgen der für seinen
Einsatz erforderlichen Unterlagen. Der Unfall hatte sich daher zu einem Zeitpunkt ereignet, als
der Kläger eine versicherte Tätigkeit ausübte. Demgegenüber sei nach den Feststellungen des LSG
jedoch „ein anfallbedingter Sturz ebenso wahrscheinlich (…) wie ein sturzbedingter Anfall“. Damit
sei der Krampfanfall als sog. „innere Ursache“ nur hypothetisch ursächlich geworden, während
seine naturwissenschaftliche Kausalität keinesfalls sicher sei. Folglich sei die ausgeübte
Verrichtung des Klägers als alleinige Unfallursache anzusehen, sodass an „deren Unfallkausalität
mangels Vorliegen einer wirksam gewordenen Konkurrenzursache keine Zweifel“ bestehen“. Das BSG
gab der Klage somit statt und stellte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls fest.