Anspruch auf GdB-Feststellung ist nicht übertragbar

,

Die Anerkennung einer Schwerbehinderung setzt zunächst einen Antrag des Betroffenen gemäß § 69 V des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) voraus. Im sich anschließenden Feststellungsverfahren (§ 69 I SGB IX) wird dann ermittelt, ob eine Schwerbehinderung im Sinne von § 2 II SGB IX vorliegt.

Leider kann es jedoch vorkommen, dass der Antragsteller – gerade bei Vorliegen einer schweren Erkrankung – während dieses Verfahrens verstirbt. Für diesen Fall hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg durch Urteil vom 18.06.2009 (Az.: L 6 SB 286/08) unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entschieden, dass ein Anspruch auf Feststellung des individuellen Grades der Behinderung (GdB) oder eines Nachteilsausgleiches (Ausweismerkzeichen) mit dem Tod des Antragstellers entfällt.

Zur Begründung führt das Gericht aus, dass ein hinterbliebener Ehegatte oder ein Erbe des verstorbenen Antragsstellers rechtlich nicht berechtigt sei, rückwirkend die Feststellung des GdB zu verlangen. Eine Vererbung sei weder nach § 1922 BGB, noch nach sozialrechtlichen Sondervorschriften möglich:

Nach § 1922 BGB gehen auf den Erben zwar unmittelbar u.a. alle Vermögensgegenstände und vermögenswerten Rechte über, doch handele es sich bei dem Feststellungsanspruch nicht um Vermögen, sondern um einen höchstpersönlichen Anspruch. Hier sei allgemein anerkannt, dass höchstpersönliche Rechte nicht vererbt werden können (vgl. §§ 56, 57 SGB I).

Die Höchstpersönlichkeit des Feststellungsanspruchs folgert das Gericht daraus, dass ein Feststellungsverfahren, wie oben erwähnt, nur auf Antrag des Betroffenen eingeleitet wird. Er allein kann nach dessen Einleitung auf die weitere Verfahrensdurchführung verzichten und selbst (mittelbar) betroffene Dritte wie z.B. sein Arbeitgeber können keinen Einfluss nehmen. Im Rahmen des Verfahrens sind nämlich persönliche, gesundheitsbezogene Auskünfte einzuholen, die das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I, 1 I GG) des Antragstellers tangieren. Mit dem Tode des Antragstellers bleibt dieses Persönlichkeitsrecht jedoch weiterhin bestehen (sog. postmortales Persönlichkeitsrecht), sodass auch jetzt weder Angehörige noch sonstige Dritte das Recht haben, den individuellen GdB des Verstorbenen feststellen zu lassen. Schließlich stehe auch der Zweck des Feststellungsverfahrens, behinderten Personen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen oder jedenfalls zu erleichtern, einer Vererbung des Feststellungsrechts entgegen, da dieser Zweck nach dem Ableben des Betroffenen nicht mehr erreicht werden könne. Abhängig von der jeweils erstrebten Begünstigung seien im Einzelfall jedoch Ausnahmen denkbar.

Auch ein Anspruchsübergang nach § 59 I SGB I scheidet nach dem genannten Urteil aus. Nach dieser Norm seien nur Ansprüche auf Geldleistungen, nicht aber auf Sach- oder Dienstleistungen vererbbar. Wenn aber schon Ansprüche auf einzelne Sozialleistungen nicht durchweg vererbbar seien – so folgert das LSG – dann erst recht nicht Ansprüche auf Feststellung, ob überhaupt die Voraussetzungen derartiger Sozialleistungsansprüche gegeben seien. Denn im ersten Fall lagen im Todeszeitpunkt immerhin konkrete und – nunmehr erloschene – Ansprüche des Verstorbenen vor, während im zweiten Fall lediglich ein Rechtsverhältnis bestanden habe, ohne dass klar sei, ob der anspruchsbegründende Versicherungsfall „Schwerbehinderung“ überhaupt eingetreten sei.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um die rückwirkende Anerkennung eines GdB in Höhe von 50 wegen eines Plasmozytoms (Tumorerkrankung des Knochenmarks). Bei der im Dezember 2008 verstorbenen Klägerin war wegen dieser und weiterer Erkrankungen mit Wirkung ab dem 01.08.2001 ein GdB in Höhe von 70 anerkannt worden. Gestritten wurde aber um den Zeitraum vom 16.11.2000 bis zum 31.07.2001 und um die Frage, ob das im Juni 2001diagnostizierte Plasmozytom bereits damals vorgelegen habe. Das Berufungsverfahren vor dem LSG Baden-Württemberg wurde von dem Alleinerben der Klägerin, ihrem Sohn, und ihrem Ehemann fortgeführt. Von der rückwirkenden Feststellung des GdB von mindestens 50 war konkret abhängig, ob die von der Klägerin bezogene Altersrente für Schwerbehinderte ebenso nachträglich zu erhöhen war wie die dem Ehemann bewilligte große Witwerrente.

Das LSG lehnte, wie aus dem Vorausgehenden zu erahnen, einen Übergang des Feststellungsanspruchs auf Sohn und Ehemann ab. Es verwies beide aber im Übrigen darauf, dass für ein Rentenverfahren nach dem SGB VI keine Anerkennung der Schwerbehinderung durch Verwaltungsakt erforderlich sei, sondern dass dort auch eine gutachterliche Stellungnahme oder ärztliche Unterlagen, aus denen sich die Schwerbehinderung bereits zum 16.11.2000 ergebe, genügten.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar