Beurteilung von Nachteilsausgleichen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) rechtswidrig?

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Die Feststellung des individuellen Behinderungsgrades (GdB) oder die Anerkennung von leistungsanspruchsbegründenden Nachteilsausgleichen in Form von Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis (z.B. „Bl“, „aG“, „G“ etc.) erfolgte bis einschließlich zum 31.12.2008 nach den sog. AHP (ausgeschrieben: Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht) in der jeweils geltenden Fassung.

Bei den AHP handelte es sich nicht um einen Rechtssatz im weitesten Sinne, sondern um eine Art „vorweggenommener Sachverständigengutachten“, die es den Medizinern erleichtern sollten, den individuellen GdB eines Patienten zu beurteilen. Um eine einheitliche Bewertung sicher zu stellen, waren die Gerichte im Falle eines Rechtsstreits (z.B. um das Vorliegen einer Schwerbehinderung oder der „richtigen“ Bemessung des GdB) nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehalten, die AHP ebenfalls anzuwenden. Dadurch erlangten die AHP normähnliche bzw. gewohnheitsrechtliche Wirkung.

Seit dem 01.01.2009 sind die AHP aber nur noch für „Altfälle“ relevant, während die Bemessung des individuellen GdB im Übrigen unter Anwendung der sog. VMG erfolgt. Diese „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ stellen eine Anlage zu § 2 Vers-MedV (Versorgungsmedizin-Verordnung) dar und gehören somit anders als die AHP zum sog. materiellen Recht. Die erforderliche Rechtsgrundlage für die VMG liegt in § 30 XVII BVG.

Das ist insoweit von Bedeutung, als § 30 XVII BVG zwar eine Ermächtigung enthält, eine Bewertungsgrundlage für die Feststellung des GdB in Form einer Rechtsverordnung (hier also der Vers-MedV) zu erlassen. Unerwähnt bleiben dort aber die sog. Nachteilsausgleiche bzw. Merkzeichen des Schwerbehindertenrechts, für die die VMG dennoch angewendet werden…

Es stellt sich damit das Problem, ob die VMG mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig sein könnten, soweit sie sich auf die Nachteilsausgleiche beziehen. Das könnte für Betroffene durchaus ein wichtiger Einwand sein: Sollten sie einen auf die VMG gestützten Bescheid erhalten, mit dem z.B. die Anerkennung eines Nachteilsausgleichs verweigert wird, und sollten sich diese VMG als rechtswidrig erweisen, dann ist der Bescheid zwar nicht unwirksam, aber doch zumindest grundsätzlich anfechtbar. Sind die VMG hingegen gleichwohl rechtmäßig, kann der Bescheid jedenfalls nicht unter diesem Aspekt angegriffen werden.

In einem Urteil vom 14.08.2009 (Az.: L 8 SB 1691/08) hat das LSG Baden-Württemberg jedoch entschieden, dass die Frage einer etwaigen Rechtswidrigkeit der VMG hinsichtlich des schwerbehindertenrechtlichen Merkzeichens „G“ (Gehbehinderung) dahin stehen könne. Da die VMG nämlich die Grundsätze der AHP zu diesem Nachteilsausgleich übernommen hätten, sei weiterhin gewährleistet, dass der GdB nachvollziehbar und nach Maßgabe des medizinischen Erkenntnisstandes bewertet werde. Da sich inhaltlich nichts an den Bewertungsgrundsätzen geändert habe, sei auch eine Benachteiligung der Betroffenen nicht denkbar. Wegen dieser sachlichen Identität von AHP und VMG seien die Gerichte daher trotz Bedenken an der Rechtmäßigkeit der VMG nicht verpflichtet, von deren Bewertungsgrundsätzen abzuweichen.

Diese Feststellungen hat das Gericht jedoch nur „ergänzend“ getroffen, sodass abzuwarten bleibt, wie die Sozialgerichte tatsächlich künftig über die Anwendbarkeit der VMG betreffs der Nachteilsausgleiche urteilen werden.

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