Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom kann bei Knieschäden einen höheren GdB als wegen der reinen Bewegungseinschränkungen und damit auch den Nachteilsausgleich “G” rechtfertigen. Die bloße Einnahme von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Salben wie Ibuprofen und Voltaren zur Schmerzlinderung genügt nicht. Das gleiche gilt für Medikamente zur Behandlung von Gelenkarthrosen mit knorpelschützenden und knorpelerhaltenden (chondroprotektiven) Medikamenten, wie etwa Dona 200 (S). Dies ergibt sich aus aus einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg – L 13 SB 161/10 – Urteil vom 18.08.2011.

Gehtests sind für die Feststellungen der Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs “G” in der Regel nicht geeignet. Vielmehr ist es erforderlich, dass Funktionsstörungen vorliegen, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken und den in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen entsprechen. Bei diesen wird eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit angenommen, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – L 13 SB 91/11 – Urteil vom 21.10.2011.

Die Berufskrankheitenverordnung (BKV) enthält in BK 3101 folgenden Tatbestand: “Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war”. Es richtet sich, so das Bundessozialgericht – B 2 U 22/10 R – Urteil vom 15.09.2011, nach dem Grad der Durchseuchung des versicherten Tätigkeitsbereiches und dem Übertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen, ob “Einwirkungen” im Sinne einer erhöhten Infektionsgefahr vorliegen oder nicht.

Schwerbehinderte Arbeitnehmer werden in Deutschland unter besonderen Schutz gestellt. Nach §§ 85, 91 SGB IX (Neuntes Buch des Sozialgesetzbuchs) darf ihnen z.B. nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden.

Um seine Pflichten überblicken zu können, ist es für einen Arbeitgeber daher wichtig, zu wissen, ob einer seiner Angestellten schwerbehindert ist oder nicht. Deshalb werden in Vorstellungsgesprächen häufig entsprechende Fragen gestellt. Weiterlesen

Rechtsanwalt J. Sauerborn

Vor dem Gesetz gilt ein Mensch als behindert, wenn sein körperlicher, geistiger und/oder seelischer Zustand von dem für sein Lebensalter typischen abweicht, wodurch langfristig seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt wird (vgl. § 2 I 1 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs, SGB IX).

Die Schwere seiner Behinderung wird dabei durch den sog. individuellen Grad der Behinderung (GdB) bestimmt.

Die Bestimmung des GdB erfolgt in drei Schritten

Der persönliche GdB wird in Zehnergraden von 10 – 100 ausgedrückt. Je höher er ist, desto mehr Leistungen erhält der Betroffene (z.B. Steuervergünstigungen, kostenlose Beförderung im ÖPNV u. v. m.).

Zur Feststellung des GdB müssen nach dem Bundessozialgericht zunächst die langfristigen und das Alltagsleben beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen ermittelt werden. Jeder „Auffälligkeit” ist sodann ein eigner GdB zuzuordnen. Diese sog. Einzel-GdB werden schließlich in einem dritten Schritt zu einem Gesamt-GdB zusammengefasst, der die Wechselwirkung der einzelnen Gesundheitsbeeinträchtigungen berücksichtigt. Weiterlesen

Einen Abfindungsanspruch kann ein Arbeitnehmer auf unterschiedlichste Art und Weise erwerben, z.B. durch vertragliche Vereinbarung oder Gesetz (s. § 1a KSchG). Wurde ihm wegen einer (geplanten) Betriebsänderung rechtswirksam gekündigt, kann ein Abfindungsanspruch aber auch aus einem Sozialplan folgen.

Sozialpläne begründen Leistungsansprüche der Arbeitnehmer

Durch einen Sozialplan (§§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz, kurz: BetrVG) sollen die wirtschaftlichen Nachteile einer Betriebsänderung zugunsten der von ihr betroffenen Arbeitnehmer zumindest gemildert oder gar völlig kompensiert werden (vgl. § 112 BetrVG). Zu diesem Zweck können dort z.B. Abfindungsansprüche ausgewiesen werden.

Dem Sozialplan, der gemeinsam mit dem Betriebsrat aufgestellt wird, kommt dieselbe Wirkung wie einer Betriebsvereinbarung zu (§ 112 I 3 BetrVG). Grundsätzlich haben die Arbeitnehmer nach den §§ 112 I 3, 77 IV BetrVG daher einen Anspruch auf die im Sozialplan vereinbarten Leistungen.

Erwerbsminderungsrente kann Abfindungsanspruch entfallen lassen

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.06.2011 (Az.: 1 AZR 34/10) kann ein Sozialplan aber vorsehen, dass ein Abfindungsanspruch solchen Arbeitnehmern vorbehalten wird, die arbeitsfähig sind und keine dauerhafte Erwerbsminderungsrente beziehen. Umgekehrt dürfen also Angestellte ausgeschlossen werden, die eine volle (ggf. befristete) Erwerbsminderungsrente beziehen, aktuell nicht beschäftigt werden und bei denen ein Wiedereintritt ihrer Arbeitsfähigkeit auch langfristig nicht prognostizierbar ist.

Was auf den ersten Blick wie eine unerhörte Benachteiligung erwerbsgeminderter Personen aussieht, rechtfertigt das BAG wie folgend: Die Sozialplanabfindung diene allein dem Zweck, wirtschaftliche Nachteile von Arbeitnehmern auszugleichen, die im Zuge einer Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz und somit auch ihre Einnahmequelle verlieren. Wer aber bereits längere Zeit eine volle Erwerbsminderungsrente beziehe und auch künftig nicht wieder arbeitsfähig werde, erleide durch den Verlust seines Arbeitsplatzes keinen derartigen Nachteil, da ihm ja immer noch die Rentenleistungen verbleiben. Folglich komme es durch eine derartige Sozialplanvereinbarung nicht zu einer unmittelbaren Schlechterstellung erwerbsgeminderter Personen, denn sie würden nicht schlechter behandelt als andere in vergleichbarer Lage.

Wird ein Sozialplan aufgestellt, dürfen Arbeitgeber daher davon ausgehen, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer unter den genannten Voraussetzungen auch künftig keinen Lohn am Arbeitsmarkt erzielen werden, und dass ihnen deshalb kein Ausgleich für einen Lohnverlust in Form einer Sozialplanabfindung zu zahlen ist.

Der Ausgangsfall

Das Urteil betrifft den Sozialplan einer Arbeitgeberin (Beklagte), nach dem Arbeitnehmer dann keine Sozialplanabfindung erhalten, wenn sie gegenwärtig nicht arbeiten können, eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen und falls auch künftig nicht zu erwarten ist, dass sie wieder arbeitsfähig sein werden. Erfasst werden sollten Angestellte, die seit mehr als drei Jahren arbeitsunfähig sind und entsprechende Rentenleistungen erhalten oder denen eine volle Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre bewilligt wurde.

Diese Regelung betraf u.a. einen Arbeitnehmer (Kläger), der Ende 2001 einen Wegeunfall erlitten hatte und seitdem dauerhaft arbeitsunfähig ist. Er bezieht seit dem 01.04.2003 eine Erwerbsminderungsrente, die zunächst bis zum 30.06.2007 und dann bis zum 30.06.2009 befristet war. Inzwischen wird die Rente unbefristet geleistet.

Aus betriebsbedingten Gründen wurde dem Kläger zum 31.12.2008 gekündigt. Auf Grundlage des geschlossenen Sozialplanes machte er nun einen Abfindungsanspruch über 220.000,- € geltend. Allerdings ohne Erfolg, wie man sich nach den Ausführungen des BAG bereits denken kann.

Das BAG wiederholt, dass dem Kläger durch die betriebsbedingte Kündigung keine weiteren wirtschaftlichen Nachteile entstünden, sodass den Arbeitgeber auch keine Ausgleichspflicht treffe. Mangels unmittelbarer Benachteiligung behinderter Personen sei der im Sozialplan vereinbarte Leistungsausschluss zulässig und stehe dem geltend gemachten Abfindungsanspruch des Klägers somit entgegen.

Wer seine Arme und/oder Hände nicht in vollem Umfang einsetzen kann, um alltägliche Aufgaben zu erledigen, muss ein hohes Maß an Kreativität und Durchhaltewillen entwickeln, um individuelle Lösungsmuster zu finden. Leider führt das Ausweichen auf andere Körperteile wie Füße oder Zähne jedoch ggf. zu deren vorzeitigem Verschleiß und somit zu weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Das Sozialgericht Aachen hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob ein Contergan-Geschädigter einen Anspruch auf Kostenübernahme für Zahnimplantate gegen seine gesetzliche Krankenversicherung hat (Urteil vom 01.02.2011, Az.: S 13 KR235/10).

Gesetzliche Krankenkassen zahlen grundsätzlich nicht für Zahnimplantate

Das SG Aachen weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass die gesetzliche Krankversicherung normalerweise keine „implantologischen Leistungen” bezahlt. Eine Ausnahme gelte nur unter bestimmten Voraussetzungen, die in der Behandlungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) aufgelistet seien (sog. Ausnahmeindikationen).

Aber auch eine der dort genannten Ausnahmeindikationen genügt für sich allein genommen noch nicht, um einen Kostenübernahmeanspruch zu begründen. Zusätzlich müsse die Insertion von Zahnimplantaten aus zahnmedizinischer Sicht die einzig in Frage kommende Behandlungsmöglichkeit sein. Kann also stattdessen auf „klassische” Zahnprothesen o.Ä. ausgewichen werden, scheidet ein Kostenanspruch trotz der Ausnahmeindikation aus.

Der Ausgangsfall

Geklagt hatte ein Contergan-Opfer, dessen Greiffunktionen seiner Hände erheblich beeinträchtigt sind. Er behilft sich im Alltag deswegen, indem er stattdessen auf seine Zähne ausweicht, um z.B. Flaschen zu öffnen.

Dadurch kam es bei dem Kläger zu Zahnschäden, weswegen er entweder ein Gebiss oder Zahnimplantate brauchte. Auf Grund seiner conterganbedingten Einschränkungen ist er jedoch nicht in der Lage, einen herkömmlichen Zahnersatz einzusetzen und z.B. zum Reinigen wieder herauszunehmen. Deshalb beantragte er Kostenübernahme für Zahnimplantate, leider jedoch ohne Erfolg…

Keine Ausnahme für Contergan-Geschädigte

Das SG Aachen nimmt zwar zu Kenntnis, dass Menschen, die infolge einer Behinderung ihre Hände nur eingeschränkt oder gar nicht benutzen können, verstärkt auf ihre Zähne ausweichen (müssen). Die Conterganschädigung habe daher in erheblichem Maße zu der Behandlungsbedürftigkeit des Klägers beigetragen.

Dennoch könne der Kläger von seiner gesetzlichen Krankenversicherung keine Kostenübernahme verlangen. Obwohl er nicht in der Lage sei, selbstständig ein Gebiss zu verwenden, sei kostenrechtlich allein von Interesse, ob Zahnimplantate aus zahnmedizinischer Sicht die einzig mögliche Behandlungsart seien. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall.

Das Gericht verweist den Kläger deshalb an den Staat. Dieser habe an Stelle der gesetzlichen Krankenversicherung für die besonderen Bedürfnisse Contergan-Geschädigter Sorge zu tragen. Denkbar sei insoweit, den Leistungskatalog der „Conterganstiftung für behinderte Menschen” auszuweiten, weil die Zahnschäden des Klägers letztlich ein Folgeschaden der Conterganschädigung seien. Auch eine steuerfinanzierte Lösung hält das Gericht für möglich.

Nur ist dem Kläger damit leider noch lange nicht geholfen… Es verwundert deshalb nicht, dass er gegen dieses Urteil Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt hat.

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, der bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten eingreift, setzt stets zunächst voraus, dass jemand überhaupt Versicherter ist. Der Kreis der Berechtigten ergibt sich aus § 2 SGB VII (Siebtes Buch des Sozialgesetzbuchs), der einen ganzen Katalog versicherter Personengruppen aufführt und der durch die §§ 3 ff. SGB VII ergänzt wird.

Trotzdem kann die Beantwortung der Frage, ob Versicherungsschutz besteht, im Einzelfall problematisch sein. Das zeigt ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.01.2011 (Az.: B 2 U 9/10 R) zur Versicherung (schwer-)behinderter Menschen.

Der Ausgangsfall

Geklagt hatte ein 1972 geborener Schwerbehinderter, der seit 1992 im Förder- und Betreuungsbereich (FBB) einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) betreut wird. Dort soll durch stetig wechselnde Aufgaben seine Selbstständigkeit und Leistungsfähigkeit gefördert werden, damit er die praktischen Aufgaben des alltäglichen Lebens besser bewältigen kann. Zudem soll er in eine sinnvolle Tagesstruktur eingebunden werden. Weiterlesen