Viele Menschen sind beruflich wie auch privat auf Sehhilfen angewiesen, die bekanntlich nicht gerade billig sind. Das gilt vor allem für Gleitsichtbrillen, da sie gleichzeitig Lang- und Kurzsichtigkeit ausgleichen, hierzu mindestens zwei unterschiedliche Sehbereiche aufweisen und deshalb in der Konsequenz teurer sein müssen als „normale“ Brillen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.07.2010 hat das Sozialgericht Dortmund (Az.: S 26 R 309/09) entschieden, dass ein Arbeitnehmer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) keine Kostenübernahme für eine Gleitsichtbrille – als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Sozialgesetzbuch VI und IX – verlangen kann, wenn er die Sehhilfe nicht nur beruflich, sondern auch privat nutzen möchte bzw. kann.

Ein arbeitsuchender Industriekaufmann (Kläger) wollte mittels einer Gleitsichtbrille seine vorhandene Sehbehinderung ausgleichen, um wieder vollständig arbeitsfähig zu werden. Ohne diese Brille habe er Schwierigkeiten beim Lesen, was wiederum der Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit entgegen stehe. Er verklagte daher die DRV auf Kostenübernahme.
Das SG Dortmund wies seine Klage jedoch ab, weil Leistungen der DRV zur Teilhabe am Arbeitsleben nur solche Hilfsmittel erfassten, die für eine spezielle berufliche Tätigkeit erforderlich seien. Könne das Hilfsmittel darüber hinaus auch zu anderen Zwecken genutzt werden, sei eine Kostenübernahme nicht möglich. Letzteres sei bei dem Kläger aber der Fall, da er die Brille auch privat zum Lesen nutzen könnte.
Im Übrigen sei die Sehbehinderung des Klägers auch nicht so gravierend, dass er einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine Gleitsichtbrille gegen seine Krankenversicherung habe. Auch dieser Umstand sei zu berücksichtigen gewesen und spreche gegen einen entsprechenden Anspruch des Klägers, eine Gleitsichtbrille zu erhalten.

„Der Mensch sei edel, hilfreich und gut.“, heißt es bekanntlich. Verletzt sich aber derjenige, der einem anderen Hilfe leistet bei seiner guten Tat, kann es sein, dass er sich „zur Belohnung“ mit den Versicherungen streiten muss, wer für seinen Schaden aufkommt.
So geschehen im Fall eines vierzehnjährigen Schülers, der einem sechsjährigen Mädchen zu Hilfe eilte, das beim Spielen – wie auch immer – auf das Betriebsgelände eines Energieversorgungsunternehmens gelangt war, und nun nicht mehr zurück auf den Spielplatz gelangen konnte. Auch die anwesende Mutter konnte dem eingeschlossenen Kind nicht helfen. Dafür kletterte der hilfsbereite Jugendliche über den Werkszaun und trug das Mädchen herüber.
Dabei muss er sich wohl verletzt haben. Was genau geschah, erwähnt das BSG in seiner entsprechenden Pressemitteilung zwar nicht. Wohl aber kommt es in seinem zugehörigen Urteil vom 15.06.2010 (Az.: B 2 U 12/09 R) zu dem Ergebnis, dass der Jugendliche einen Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) erlitten hatte, für den der zuständige Versicherungsträger aufkommen müsse.
Dies begründet das Gericht mit der Regelung des § 2 I Nr. 13a) SGB VII, denn der Junge habe einem anderen in einem Unglücksfall Hilfe geleistet. Ein solcher sei schon dann anzunehmen, wenn ein wichtiges Individualrechtsgut geschädigt oder gefährdet werden könnte. Bei diesem bedrohten Rechtsgut müsse es sich nicht zwingend um Leib oder Leben eines Menschen handeln. Da sich das Mädchen weder aus eigener Kraft noch mit Hilfe der Mutter aus seiner Lage befreien konnte, war sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht, sich frei fortzubewegen (Art. 11 GG) bedroht. Hätte der Junge nicht eingegriffen, hätte die Mutter vermutlich Polizei oder Feuerwehr alarmieren müssen. Beides spreche für die Annahme eines Unglücksfalles im Sinne der genannten Regelung des SGB VII.
Folglich genoss der Jugendliche Versicherungsschutz nach dem SGB VII und das BSG gab seiner Klage gegen die zuständige Unfallkasse statt.

Bei der Fibromyalgie handelt es sich um ein Schmerzsyndrom, das vor allem den Bewegungsapparat beeinträchtigt. Betroffene leiden unter Schmerzen, die an manchen Körperstellen, den sog. tender points, besonders häufig auftreten, ohne dass eine (andersgeartete) Erkrankung als Schmerzursache nachgewiesen werden könnte. Uneinigkeit besteht (noch) hinsichtlich der Therapie der Fibromyalgie wie auch bezüglich ihrer schwerbehindertenrechtlichen Einordnung.

Sollte Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind, zu einem bestimmten Eingriff oder einer bestimmten Therapie geraten werden, sollten sie jedenfalls zuvor unbedingt mit ihrer Krankenkasse die Kostentragung abklären. Dies ist die Lehre, die aus einem Beschluss des Bundessozialgerichts vom 01.04.2010 (Az.: B 1 KR 114/09 B) gezogen werden kann.

Eine 1951 geborene Frau (Klägerin) litt unter Fibromyalgie und unterzog sich daher in der Schweiz einer ambulanten Quadranteninterventionsoperation. Darüber unterrichtete sie ihre gesetzliche Krankenversicherung (Beklagte) aber erst im Nachhinein, verbunden mit dem Wunsch, die Beklagte möge die entstandenen Behandlungskosten übernehmen. Diese lehnte jedoch ab. Die Klägerin scheiterte im Folgenden sowohl vor dem Sozial- als auch vor dem Landessozialgericht; die Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. Daraufhin erhob sie Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG, da die Klärung ihres Rechtsstreits von allgemeiner Bedeutung sei. Weiterlesen

Viele Menschen leiden gerade mit fortschreitendem Alter an einer sog. Makuladegeneration. Diese Krankheit existiert in zwei Formen, der sog. trockenen und feuchten Makuladegeneration.

Das Sozialgericht Aachen hat am 11.03.2010 ein Urteil gesprochen, das die Ansprüche von Patienten betrifft, die an der feuchten Variante leiden (Az.: S 2 (15) KR 115/08 KN). Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung der Augen, bei der Blutgefäße in die Netzhaut einwachsen, wodurch die Sehkraft rasch schwindet. Häufig kommt es zur Erblindung.

Dem oben genannten Urteil zufolge gibt es nur ein Medikament, das zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration in Deutschland zugelassen ist, nämlich „Lucentis“. Dennoch gibt es Ärzte, die stattdessen das Mittel „Avastin“ einsetzen, obwohl dieses nur zur Behandlung bestimmter Krebserkrankungen zugelassen ist. Die Verwendung von „Avastin“ außerhalb seiner Zulassung stellt daher einen sog. „Off-label-use“ dar, was bedeutet, dass die gesetzlichen Krankenkassen (zumindest im Normalfall) nicht zur Kostenübernahme verpflichtet sind.

In dem vom SG Aachen entschiedenen Fall ging es aber um das genaue Gegenteil: Weiterlesen

[box type=”info”]Medizinisch anerkannte gesundheitliche Beeinträchtigungen werden im Schwerbehindertenrecht durch den individuellen Grad der Behinderung (GdB) erfasst. Er soll zum Ausdruck bringen, inwieweit die Teilhabe des Betroffenen am alltäglichen gesellschaftlichen Leben durch eine Behinderung beeinträchtigt ist. Als Behinderung gilt wiederum jede (voraussichtlich) länger als sechs Monate bestehende Abweichung vom alterstypischen Zustand, die körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten und/oder die seelische Gesundheit betrifft (vgl. § 2 SGB IX).[/box]

Als Bewertungsmaßstäbe des GdB fungieren die sog. VMG, die Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Aus diesem rechtsverbindlichen Regelwerk folgt z.B., dass Krebskranken während der fünfjährigen Heilungsbewährungsfrist grundsätzlich ein GdB von 50 zusteht. Nach erfolgreichem Ablauf dieser Frist kann der GdB gemäß § 48 I SGB IX aber auch wieder zurückgestuft werden.

Nach einem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 04.11.2009 (Az.: 3 SB 82/09) ist eine derartige Rückstufung nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist z.B. auch dann gerechtfertigt, wenn bei einem Hautkrebspatienten in dieser Phase zwar kein neues Melanom, wohl aber wenig später ein Melanom in situ entstanden ist. Weiterlesen

[box type=”info”]Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt, ist eine (rezessiv) vererbliche, angeborene Stoffwechselkrankheit, die zu einer Fehlfunktion aller sekretabsondernden Drüsen führt. Besonders betroffen sind dabei die Bronchialdrüsen, aber auch die Bauchspeicheldrüse, was eine spezielle, enzymreiche Ernährung erforderlich macht. Anzeichen der Mukoviszidose können u.a. starker Husten, Atemnot und erhöhter, durchfallähnlicher Stuhlgang sein, aber auch bläuliche, auf Sauerstoffmangel beruhende Verfärbungen beispielsweise der Lippen.[/box]

Einigkeit besteht darüber, dass Mukoviszidose-Patienten als schwerbehindert anzuerkennen sind. Allerdings gehen die Meinungen darüber, in welcher Höhe der individuelle Grad der Behinderung (GdB) zu bemessen ist, und welche Nachteilsausgleiche den Betroffenen zustehen, durchaus auseinander. Weiterlesen

Der Teilhabe behinderter Menschen am alltäglichen Leben sind leider oft Grenzen gesetzt, deren Ausgleich das Schwerbehindertenrecht des Neuntes Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB IX) dient. Hier versucht der Staat eine gewisse Kompensation z.B. durch die Gewährung der sog. Nachteilsausgleiche zu schaffen. Bei diesen handelt es sich um spezielle Merkzeichen, die in den Schwerbehindertenausweis eingetragen werden können, und die besondere Leistungsansprüche oder Steuervorteile etc. begründen.

[box type=”info”]Menschen, deren Mobilität erheblich eingeschränkt ist, können z.B. die Eintragung des Merkzeichens „G“ (Gehbehinderung) beantragen. In gravierenderen Fällen kann ein „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) eingetragen werden, welches zur kostenlosen Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Behindertenparkplätze ermächtigt sowie steuerliche Vergünstigungen eröffnet. Demgegenüber bringt das Merkzeichen „G“ weniger Vorteile mit sich, entsprechend dem Grundsatz, dass eine „einfache“ Gehbehinderung das Alltagsleben des Betroffenen weniger einschränkt als eine „außergewöhnliche“, sodass daher nur ein geringerer Ausgleich erforderlich ist. Insbesondere berechtigt nur das „aG“ zur Nutzung besonders ausgewiesener Parkmöglichkeiten.[/box] Weiterlesen

Glücklich ist, wer eine Krebserkrankung – soweit erkennbar – überstanden hat. Oder vielleicht doch nicht immer? Es gibt durchaus Menschen, die in dieser Diagnose einen „Nachteil“ sehen, nämlich durch Verlust ihres bisherigen individuellen Grades der Behinderung (GdB). Bei diesem handelt es sich schließlich nicht um einen statischen Wert. Sollte eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eintreten, kann der individuelle GdB vielmehr nach oben, aber auch nach unten korrigiert werden.

So im Falle eines 1936 geborenen Klägers, bei dem 2002 Prostatakrebs festgestellt und behandelt worden war. Im Oktober desselben Jahres anerkannte die zuständige Behörde bei dem Kläger einen GdB von 50, der neben dem „operierten Prostataleiden im Stadium der Heilungsbewährung“ auch Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigte. Nach positivem Verlauf dieser Heilungsbewährungsphase wurde 2007 von Amts wegen überprüft, inwiefern die Teilhabe am täglichen Leben noch beeinträchtigt sei. Der versorgungsärztliche Dienst kam dabei zu dem Ergebnis, dass dem Kläger nur noch ein Gesamt-GdB von 20 zustehe, und zwar wegen Bluthochdrucks und „operiertem Prostataleiden, Harninkontinenz und erektiler Dysfunktion“. Daraufhin erließ die zuständige Behörde einen Neufeststellungsbescheid, der den GdB zum 01.06.2008 von 50 auf 20 herabsetzte. Gegen diesen ging der Kläger im Wege der Anfechtungsklage vor, die er u.a. damit begründete, dass die Gefahr eines (neuen) Tumors gegenüber 2002 keineswegs verringert sei. Weiterlesen