[box type=”info”]Die Zuerkennung des schwerbehindertenrechtlichen Nachteilsausgleichs „aG“ (außergewöhnliche Schwerbehinderung) setzt voraus, dass die Gehfähigkeit des Betroffenen in besonders schwerem Maße eingeschränkt ist und er sich außerhalb von Kraftfahrzeugen nur noch unter großer Anstrengung oder mit Hilfe anderer Personen fortbewegen kann.[/box]

Bei bestimmten Personengruppen wird die Zubilligung des Merkzeichens von der Rechtsordnung zusätzlich erleichtert (z.B. Querschnittsgelähmte, Doppelober- bzw. Doppelunterschenkelamputierte etc.). Durch Eintragung des Merkzeichens in den Schwerbehindertenausweis erlangt der Ausweisinhaber einen Anspruch auf Nutzung von Behindertenparkplätzen sowie steuerliche Vergünstigungen. Weiterlesen

Der Sinn des Schwerbehindertenrechts besteht unter anderem darin, Menschen einen gewissen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass ihre Teilhabe am täglichen Leben in der Gesellschaft auf Grund einer wie auch immer gearteten Gesundheitsstörung beeinträchtigt ist. Vor einer körperlichen wie geistigen Behinderung ist naturgemäß niemand gefeit. Besonders schwierig kann es für den Betroffenen aber werden, wenn sein Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) daran zu scheitern droht, dass er ein in der Bundesrepublik Deutschland lediglich „geduldeter Ausländer“ ist.

Als Beispiel mag der Fall einer 32jährigen Chinesin dienen, die sich seit 2004 in Deutschland aufhält, und deren Asylverfahren bislang (noch) nicht von Erfolg gekrönt war. Sie beantragte die Anerkennung einer Schwerbehinderung, da ihr nach einer erheblichen Verletzung, die sie sich in einem chinesischen Gefängnis zugezogen haben soll, die linke Hand amputiert worden war. Die zuständige Behörde lehnte ihren Antrag unweigerlich ab, da sie eben nur „geduldet“ sei. Weiterlesen

Nach § 69 IV des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) stellen die zuständigen Behörden auf Antrag nicht nur den Grad der Behinderung (GdB) fest, sondern auch, ob weitere gesundheitliche Merkmale vorliegen, die zur Inanspruchnahme eines sog. Nachteilsausgleiches berechtigen.

Der Nachteilsausgleich „aG“ steht dabei für eine „außergewöhnliche Gehbehinderung“. Wer dieses Merkzeichen in seinem Schwerbehindertenausweis eingetragen hat, hat Anspruch auf Steuer- sowie Parkerleichterungen im öffentlichen Straßenverkehr.

Unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Zuteilung dieses Merkzeichens besteht, war Gegenstand eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 10.12.2002 (Az.: BSG B 9 SB 7/01 R). Demzufolge kommt es zunächst auf eine straßenverkehrsrechtliche Verwaltungsvorschrift an, die zu § 46 der Straßenverkehrsordnung (StVO) erlassen wurde – immerhin geht es ja um die Frage, ob infolge der Schwerbehinderung besondere Parkplätze („Behindertenparkplätze“) genutzt werden dürfen. Weiterlesen

Im Schwerbehindertenrecht wird der individuelle Behinderungsgrad eines Menschen (GdB) in 10er Schritten von 10 bis 100 angegeben. Die konkrete Bestimmung des GdB hängt dabei davon ab, unter welchen Gesundheitsstörungen der Antragsteller leidet, und wie diese sein tägliches Leben beeinflussen.

Eine Trigeminusneuropathie, also eine Erkrankung des Trigeminusnervs (ein sich verästelnder Hirnnerv) begründet nach einem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.11.2009 (Az.: L 4 SB 174/08) bei Anwendung der einschlägigen „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ z.B. einen GdB von 40.

In dem dort entschiedenen Fall hatte der Kläger eine oberflächliche Kopfverletzung erlitten, wodurch jedoch der Trigeminusnerv beschädigt wurde. Seither litt er unter häufig auftretenden, anhaltenden Kopfschmerzen. Von mehreren Ärzten wurde ihm im Folgenden eine Trigeminusneuropathie attestiert und ein GdB von 40 vorgeschlagen, den auch das zuständige Amt – jedenfalls nach einem sozialgerichtlichen Verfahren – anerkannte. Nur einer der Ärzte hielt sogar einen GdB von 50 für angemessen, weshalb der Kläger in Berufung ging und die Anhebung seines GdB forderte. Seine Trigeminusneuropathie sei schwerbehindertenrechtlich wie eine Trigeminusneuralgie einzuordnen.

Allerdings ohne Erfolg. Das LSG weist in seinem abschlägigen Urteil darauf hin, dass der GdB die „Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen“ – nicht nur im Berufsleben – erfasse. Er solle angeben, inwiefern ein Gesundheitsschaden zu körperlichen, geistigen, seelischen und/oder sozialen Folgen führt. Entscheidend ist demnach wie bereits eingangs erwähnt, wie sehr eine Gesundheitsstörung in Form von „Funktionsbeeinträchtigungen“ das Leben des Betroffenen tatsächlich beeinflusst.

Hier bestünden aber erhebliche Unterschiede zwischen einer Trigeminusneuropathie und einer nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ mit einem GdB von 50 – 60 einzuordnenden Trigeminusneuralgie. Letztere sei nämlich durch extreme, „stromstoßartig“ einsetzende Schmerzattacken gekennzeichnet, die mit zu den schlimmsten, für Menschen vorstellbaren Schmerzen gehören. Auch gebe es keine Möglichkeit, eine solche Attacke im Akutfall zu lindern. Infolgedessen seien Patienten, die an einer Trigeminusneuralgie leiden, überdurchschnittlich häufig von Depressionen sowie einem gesteigerten Suizidrisiko betroffen. Demgegenüber sei eine Trigeminusneuropathie „nur“ durch anhaltende Grundschmerzen und verhältnismäßig leichte Kopfschmerzattacken gekennzeichnet, die noch dazu z.B. durch Abdunkeln des Aufenthaltsraumes abgeschwächt werden könnten. Ein Trigeminusneuralgiepatient leide somit unter wesentlich stärkeren Einbußen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, als jemand, der „nur“ eine Trigeminusneuropathie hat. Daraus folgert das Gericht schließlich, dass eine Gleichstellung von Trigeminusneuropathie und Trigeminusneuralgie hinsichtlich des GdB-Wertes nicht geboten sei. Vielmehr sei der in den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ (Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung) angegebene GdB-Wert von 40 als angemessen anzusehen.

[box type=”info”]Der individuelle Grad der Behinderung (GdB) eines Menschen wird nach den Maßstäben von § 30 I BVG (Bundesversorgungsgesetz) in Verbindung mit § 69 SGB IX in Zehnergraden angegeben. Liegen mehrere Gesundheitsstörungen vor, so muss die zuständige Behörde aus den jeweiligen Einzel-GdB den Gesamt-GdB des Betroffenen ermitteln [/box]

Schon manch einer wird sich aber über die „komische Rechenweise“ der Behörden gewundert haben…

Leidet jemand z.B. an einem „Halswirbelsäulensyndrom nach Spondylodese“ (Spondylodese = operative Versteifung der Wirbelsäule) und Funktionsstörungen ohne motorische und sensible Ausfälle an der unteren Extremität infolge eines Lendenwirbelsäulensyndroms“, einem „außergewöhnlichen Schmerzsyndrom“ und einer „depressiven und phobischen Störung“, so kann es sein, dass die zuständige Behörde drei Einzel-GdB von je 20 ermittelt und zu einem Gesamt-GdB von 30 kommt. Weiterlesen

Die zahlreichen Einschränkungen und Unannehmlichkeiten, mit denen Schwerbehinderte im alltäglichen Leben zu kämpfen haben, werden zumindest ansatzweise sozialrechtlich durch die Gewährung von Vorteilen – z.B. freie Fahrt im ÖPNV – ausgeglichen. Ob und welche Ansprüche jemand unter diesen Bedingungen geltend machen kann, hängt aber von dem individuellen Grad der Behinderung (sog. GdB) ab.

Dieser GdB soll die Auswirkungen, die eine Behinderung auf die Teilhabe am (öffentlichen) Leben hat, feststellen. Eingeteilt werden die Behinderungsgrade in Zehnerstufen, beginnend bei 10 und endend bei 100. Als schwerbehindert gilt, wer einen GdB von mindestens 50 hat. Weiterlesen

Unfälle, die sich auf dem „zusammenhängenden unmittelbaren“ Weg vom Wohnsitz zur Arbeitsstelle oder umgekehrt ereignen, können Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 II Nr. 1 SGB VII sein, sodass der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung eingreift (sog. Wegeunfälle).

Allerdings muss hinzukommen, dass die im Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung auch dem Weg zur Arbeit oder dem Heimweg diente. Das heißt, dass sie einer Fortbewegung auf den genannten Wegen zurechenbar sein muss, während jede Wegunterbrechung, die zu einer erheblichen Zäsur führt, den Versicherungsschutz entfallen lässt, sofern sie nicht als geringfügig anzusehen ist. Hier kommt es z.B. darauf an, ob die nun ausgeübte Verrichtung nur nebenher, praktisch „im Vorbeigehen“, erfolgt, oder ob sie einem anderen Zweck dient, als der Zurücklegung des Heim- oder Arbeitsweges.

Eine in diesem Sinne relevante Wegunterbrechung liegt nach einem Urteil des LSG NRW vom 13.10.2009 (Az.: S 5 U 298/08) z.B. dann vor, wenn ein Radfahrer auf dem Weg von seinem Arbeitsplatz zu seiner Wohnung einem Autofahrer den Weg versperrt, weil er ihn wegen eines (angeblichen) Verkehrsverstoßes zur Rede stellen will.

Die Entscheidung beruht auf folgendem Sachverhalt: Ein Radfahrer (Kläger) fuhr durch die Kölner Innenstadt nach Hause. In einer Tempo-30-Zone schnitt ein Autofahrer nach der Sicht des Klägers mehrfach dessen Weg ab. An einer Ampel stellte er sein Fahrrad daher vor dem Pkw des vermeintlichen Verkehrssünders ab, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Als der Autofahrer und sein Beifahrer ausstiegen, setzte sich der Pkw – versehentlich – in Bewegung und rammte den Kläger, wodurch dieser einen Bruch des Waden- und Schienbeins erlitt. Der Kläger verlangte daraufhin Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.

Das LSG NRW lehnte entsprechende Ansprüche jedoch ab. Dadurch, dass der Kläger das Auto angehalten habe, um den vorgebrachten Verkehrsverstoß zu erörtern, habe er seinen Heimweg in erheblicher Weise unterbrochen. Diese Unterbrechung habe nämlich nicht mehr der Heimfahrt gedient, sondern allein „eigenwirtschaftlichen Interessen“ des Klägers. Somit sei der Unfallversicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung entfallen, weshalb er keine Ansprüche gegen den Versicherungsträger besitze.

Sobald „Schwierigkeiten“ im Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis eines Schwerbehinderten auftreten, muss der Arbeitgeber nach § 84 SGB IX u.a. die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt informieren, damit der Arbeitsplatz des Betroffenen nach Möglichkeit erhalten werden kann. Die zu benachrichtigenden Stellen sollen auf alle zur Verfügung stehenden Hilfsmöglichkeiten inklusive etwaiger finanzieller Leistungen hinweisen und beratend zur Seite stehen, um eine Kündigung abzuwenden. Irrelevant ist dabei, ob die sich stellenden Probleme personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt sind und ob sie im (direkten) Bezug zur Schwerbehinderung stehen. Weiterlesen