Der deutsche Sozialstaat gewährt anerkannten Schwerbehinderten einen gewissen Ausgleich ihrer körperlichen, seelischen und/oder geistigen Beeinträchtigung u.a. in Form der sog. Nachteilsausgleiche. Mit der Eintragung eines entsprechenden Merkzeichens in den Schwerbehindertenausweis des Betroffenen erlangt dieser bestimmte Ansprüche, wie z.B. auf kostenlose Beförderung im Öffentlichen Personennahverkehr, auf Befreiung von der Rundfunkgebühr oder steuerliche Vergünstigungen.

Info

Das Merkzeichen „aG“ dient z.B. dem Nachteilsausgleich bei Vorliegen einer „außergewöhnlichen Gehbehinderung“. Begehrt ist die Zuerkennung dieses Merkzeichens vor allem wegen der mit ihm verbundenen Berechtigung zur Nutzung von speziellen Schwerbehindertenparkplätzen.

Die Rechtsprechung kann aber zuweilen recht streng sein, wenn es darum geht, nicht nur eine einfache Gehbehinderung (= Merkzeichen „G“), sondern darüber hinaus eine „außergewöhnliche“ Gehbehinderung anzuerkennen. Gefordert wird hier, dass man entweder zu dem in den einschlägigen Regeln (§ 69 IV SGB IX in Verbindung mit § 6 I Nr. 14 StVG und Nr. 11 Abschnitt II, Nr. 1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 I Nr. 11 StVO) genannten Personenkreis gehört (z.B. Querschnittsgelähmte, Hüftexartikulierte, ein- bzw. beidseitig Oberschenkelamputierte), oder dass man diesem gleichgesetzt werden kann. Dies setzt wiederum voraus, dass einerseits die Fortbewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, und dass jemand andererseits außerhalb von Kraftfahrzeugen entweder auf die Hilfe anderer angewiesen ist oder sich nur noch unter großen Anstrengungen selbstständig fortbewegen kann. Ein völliger Verlust der Gehfähigkeit wird nicht verlangt. Weiterlesen

Die staatliche Förderung schwerbehinderter Menschen erfolgt u.a. durch die Gewährung sog. Nachteilsausgleiche. Das bedeutet, dass der Betroffene durch die Eintragung eines oder mehrerer Merkzeichen in den Schwerbehindertenausweis einen Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen erhält.

Ist dort das Merkzeichen „RF” eingetragen, ist der Ausweisinhaber z.B. von der Rundfunkgebührenpflicht befreit.

Voraussetzungen der Rundfunkgebührenbefreiung

Der Sinn des Nachteilsausgleichs „RF” besteht darin, Menschen, die wegen einer Behinderung vom öffentlichen Leben praktisch ausgeschlossen sind, wenigstens den Zugang zu Rundfunk- und Fernsehsendungen zu erleichtern.

Nach der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) kommt es für den Befreiungsanspruch daher zunächst darauf an, ob jemand (noch) in der Lage ist, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Auch der individuelle Grad der Behinderung (GdB) und die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind entscheidend. Die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich im Einzelfall jedoch aus § 69 IV SGB IX (Neuntes Buch des Sozialgesetzbuchs) in Verbindung mit landesrechtlichen Regen. In Bayern sind dies z.B. die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV). Weiterlesen

Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom kann bei Knieschäden einen höheren GdB als wegen der reinen Bewegungseinschränkungen und damit auch den Nachteilsausgleich “G” rechtfertigen. Die bloße Einnahme von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Salben wie Ibuprofen und Voltaren zur Schmerzlinderung genügt nicht. Das gleiche gilt für Medikamente zur Behandlung von Gelenkarthrosen mit knorpelschützenden und knorpelerhaltenden (chondroprotektiven) Medikamenten, wie etwa Dona 200 (S). Dies ergibt sich aus aus einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg – L 13 SB 161/10 – Urteil vom 18.08.2011.

Gehtests sind für die Feststellungen der Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs “G” in der Regel nicht geeignet. Vielmehr ist es erforderlich, dass Funktionsstörungen vorliegen, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken und den in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen entsprechen. Bei diesen wird eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit angenommen, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – L 13 SB 91/11 – Urteil vom 21.10.2011.

Schwerbehinderte Arbeitnehmer werden in Deutschland unter besonderen Schutz gestellt. Nach §§ 85, 91 SGB IX (Neuntes Buch des Sozialgesetzbuchs) darf ihnen z.B. nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden.

Um seine Pflichten überblicken zu können, ist es für einen Arbeitgeber daher wichtig, zu wissen, ob einer seiner Angestellten schwerbehindert ist oder nicht. Deshalb werden in Vorstellungsgesprächen häufig entsprechende Fragen gestellt. Weiterlesen

Rechtsanwalt J. Sauerborn

Vor dem Gesetz gilt ein Mensch als behindert, wenn sein körperlicher, geistiger und/oder seelischer Zustand von dem für sein Lebensalter typischen abweicht, wodurch langfristig seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt wird (vgl. § 2 I 1 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs, SGB IX).

Die Schwere seiner Behinderung wird dabei durch den sog. individuellen Grad der Behinderung (GdB) bestimmt.

Die Bestimmung des GdB erfolgt in drei Schritten

Der persönliche GdB wird in Zehnergraden von 10 – 100 ausgedrückt. Je höher er ist, desto mehr Leistungen erhält der Betroffene (z.B. Steuervergünstigungen, kostenlose Beförderung im ÖPNV u. v. m.).

Zur Feststellung des GdB müssen nach dem Bundessozialgericht zunächst die langfristigen und das Alltagsleben beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen ermittelt werden. Jeder „Auffälligkeit” ist sodann ein eigner GdB zuzuordnen. Diese sog. Einzel-GdB werden schließlich in einem dritten Schritt zu einem Gesamt-GdB zusammengefasst, der die Wechselwirkung der einzelnen Gesundheitsbeeinträchtigungen berücksichtigt. Weiterlesen

[box type=”info”]Medizinisch anerkannte gesundheitliche Beeinträchtigungen werden im Schwerbehindertenrecht durch den individuellen Grad der Behinderung (GdB) erfasst. Er soll zum Ausdruck bringen, inwieweit die Teilhabe des Betroffenen am alltäglichen gesellschaftlichen Leben durch eine Behinderung beeinträchtigt ist. Als Behinderung gilt wiederum jede (voraussichtlich) länger als sechs Monate bestehende Abweichung vom alterstypischen Zustand, die körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten und/oder die seelische Gesundheit betrifft (vgl. § 2 SGB IX).[/box]

Als Bewertungsmaßstäbe des GdB fungieren die sog. VMG, die Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Aus diesem rechtsverbindlichen Regelwerk folgt z.B., dass Krebskranken während der fünfjährigen Heilungsbewährungsfrist grundsätzlich ein GdB von 50 zusteht. Nach erfolgreichem Ablauf dieser Frist kann der GdB gemäß § 48 I SGB IX aber auch wieder zurückgestuft werden.

Nach einem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 04.11.2009 (Az.: 3 SB 82/09) ist eine derartige Rückstufung nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist z.B. auch dann gerechtfertigt, wenn bei einem Hautkrebspatienten in dieser Phase zwar kein neues Melanom, wohl aber wenig später ein Melanom in situ entstanden ist. Weiterlesen

[box type=”info”]Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt, ist eine (rezessiv) vererbliche, angeborene Stoffwechselkrankheit, die zu einer Fehlfunktion aller sekretabsondernden Drüsen führt. Besonders betroffen sind dabei die Bronchialdrüsen, aber auch die Bauchspeicheldrüse, was eine spezielle, enzymreiche Ernährung erforderlich macht. Anzeichen der Mukoviszidose können u.a. starker Husten, Atemnot und erhöhter, durchfallähnlicher Stuhlgang sein, aber auch bläuliche, auf Sauerstoffmangel beruhende Verfärbungen beispielsweise der Lippen.[/box]

Einigkeit besteht darüber, dass Mukoviszidose-Patienten als schwerbehindert anzuerkennen sind. Allerdings gehen die Meinungen darüber, in welcher Höhe der individuelle Grad der Behinderung (GdB) zu bemessen ist, und welche Nachteilsausgleiche den Betroffenen zustehen, durchaus auseinander. Weiterlesen