Einleitung:

Wird der Versicherungsfall durch den Arbeitgeber oder einen Kollegen des Geschädigten verursacht, so ist zusätzlich an eine privatrechtliche Haftung des Schädigers, z.B. nach den §§ 823 ff. BGB, zu denken. Dadurch würde der Betroffene jedoch doppelt begünstigt, denn er könnte sich sowohl an den Schädiger halten, als auch Unfallversicherungsleistungen erhalten.

Dies wird jedoch dadurch ausgeschlossen, dass die gesetzliche Unfallversicherung des SGB VII in den §§ 104 ff. die Anwendung des privaten Schadensersatzrechts verdrängt. Hierfür sprechen (u.a.) die folgenden Überlegungen: Der Arbeitgeber finanziert die gesetzliche Unfallversicherung seines Arbeitnehmers und kommt schon auf diese Weise für die diesem etwaig entstehenden Schäden auf. Das rechtfertigt es, ihn von privater Schadensersatzhaftung freizustellen und vor finanzieller Mehrfachbelastung zu schützen. Der Ausschluss privater Haftung von Arbeitgebern und Kollegen fördert das Betriebsklima, indem streitige Auseinandersetzungen um Personenschäden sowie gegenseitige Schuldzuweisungen vermieden werden. Der Träger der Unfallversicherung ist grds. eher in der Lage, auch tatsächlich eine Schadensersatzleistung zu erbringen, da er liquider sein dürfte als z.B. ein Arbeitskollege.

Freistellung der Arbeitgeber/Unternehmer:

Gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII müssen Unternehmer im Falle eines Personenschadens nur dann einem Arbeitnehmer oder seinen Angehörigen/Hinterbliebenen Schadensersatz nach den Regeln des Zivilrechts leisten, wenn sie die Verletzungshandlung und den Schaden vorsätzlich herbeiführen oder wenn dieser auf einem versicherten Wegeunfall (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB VII) auftritt; dies gilt nicht für Unfälle auf Betriebswegen. Auch ein zivilrechtlich zu zahlendes Schmerzensgeld (vgl. § 253 II BGB) wird durch § 104 SGB VII verdrängt.

Daraus folgt, dass für Sachschäden nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts gehaftet wird.

§ 104 SGB VII setzt voraus, dass der Personenschaden einen Versicherten betrifft, der für den Schädiger tätig ist oder in einem Verhältnis zu ihm steht, welches gleichfalls Versicherungsschutz begründet. Hierunter können z.B. Arbeitnehmer fallen, die eigentlich bei einem anderen Arbeitgeber tätig sind, aber – vorübergehend – im Unternehmen des Schädigers arbeiten (z.B. Leiharbeitnehmer). Auf diesem Wege kann die Haftungsfreistellung auch auf den privaten Bereich erstreckt werden, z.B. bei der „Freundschaftshilfe“ bei einem Häuserbau oder Reparaturarbeiten.

Weitere Voraussetzung der Haftungsfreistellung ist, dass der Personenschaden auf einen Versicherungsfall zurück zu führen ist, also auf einem Arbeitsunfall oder auf eine Berufskrankheit.

[box type=”alert”]Achtung! Beruht der Personenschaden auf grob fahrlässigem oder vorsätzlichen Tun bzw. Unterlassen, so erhalten die Sozialversicherungsträger gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII einen Regressanspruch gegen den Schädiger! Dessen Höhe entspricht dem Schadensersatzanspruch, der sich aus der zivilrechtlichen Haftung ergeben hätte.[/box]

Ferner können die Sozialversicherungsträger vollen Aufwendungsersatz von einem Unternehmer verlangen, wenn sie Versicherungsleistungen für einen Versicherungsfall erbringen müssen, der sich bei sog. „Schwarzarbeit“ ereignete, § 110 Abs. 1a SGB VII.

§ 110 Abs. 2 SGB VII erlaubt jedoch einen (anteiligen) Verzicht nach billigem Ermessen.

Haftungsfreistellung von Arbeitskollegen/im Betrieb tätigen Personen:

Auch Kollegen haften für Personenschäden ggü. Arbeitskollegen, ihren Angehörigen/Hinterbliebenen zivilrechtlich nur, wenn sie den Schaden vorsätzlich oder auf einem Wegeunfall herbeigeführt haben, § 105 SGB VII (vgl. oben, Freistellung der Unternehmer).

Als Arbeitskollegen gelten neben den im selben Betrieb bzw. Unternehmen Beschäftigten auch die sog. „Wie-Beschäftigte“ (zu diesem Begriff s. „Unfallversicherung – Überblick).

Erforderlich ist also nur, dass der Geschädigte in den Betrieb eingegliedert ist. Das ist (selbstverständlich!) auch der Arbeitgeber/Unternehmer selbst. Schädigt der Angestellte fahrlässig seinen Arbeitgeber, greift daher ebenfalls die Haftungsfreistellung, § 105 Ab. 2 SGB VII. Dies gilt sogar dann, wenn der Arbeitgeber selbst gar nicht versichert ist. Schließlich erfolgt eine Haftungsfreistellung auch gegenüber Beamten, die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei sind. Der Grund dieser Haftungsfreistellung ist darin zu sehen, dass diese Ersatzleistungen kraft Beamtenrecht erhalten, nicht zuletzt aber auch in der Förderung des Betriebsfriedens, wenn Beamte und Nichtbeamtete zusammen arbeiten.

Betriebsangehörige sind gemäß § 106 Abs. 4 SGB VII auch ggü. Besuchern der Betriebsstätte von der Haftung für Personenschäden freigestellt.

[box type=”alert”]Achtung! § 110 Abs. 1 und 2 SGB VII (s.o.) gelten auch für im Betrieb Tätige![/box]

Haftungsfreistellung bei Nutzung einer gemeinsamen Betriebsstätte:

Aus § 106 Abs. 3 SGB VII ergibt sich eine Haftungsfreistellung nach Maßgabe der §§ 104, 105 SGB VII, wenn mehrere Unternehmen vorübergehend gemeinsam auf einer Betriebsstätte tätig werden, besonders bei gemeinsamer Tätigkeit beim Zivilschutz oder bei Unglücksfällen.

Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zu fordern, dass die Zusammenarbeit an der gemeinsamen Betriebsstätte bewusst und gewollt erfolgt. Ein bloß zufälliges Aufeinandertreffen genügt also nicht.

Beispiele: Zusammenwirken mehrerer Bauunternehmen und Handwerksbetriebe bei der Errichtung eines umfangreichen Neubauprojekts. – Keine Haftungsfreistellung, wenn die Lkw zweier Warenlieferanten an der Warenannahme eines Kaufhauses kollidieren.

Der Geschädigte des anderen Unternehmens (Angestellte, Wie-Beschäftigte, der Unternehmer persönlich) muss durch die Zusammenarbeit dem typischen Gefahrenrisiko ausgesetzt worden sein, das mit der beruflichen Tätigkeit des Schädigers einhergeht.

[box type=”alert”]Achtung! § 110 Abs. 1 und 2 SGB VII (s.o.) gelten auch hier![/box]

Weitere Haftungsfreistellungen:

§ 106 SGB VII enthält weitere Freistellungstatbestände, die vor allem Schädigungen im Bereich von Schulen und Pflegeeinrichtungen umfassen.