Überblick über die Arbeitsgerichtsbarkeit:

Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind nicht die Zivilgerichte, sondern speziell eingerichtete Arbeitsgerichte zuständig. Diese gliedern sich in drei Instanzen: Arbeitsgerichte (grds. erste Instanz, § 8 ArbGG), Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.

Die Kammern der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte sind mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt, je einem aus den Kreisen der Arbeitnehmer und -geber. Beim BAG bestehen die Senate zusätzlich aus zwei weiteren Beisitzern, die Berufsrichter sind.

Das Verfahren des Arbeitsgerichtsprozesses ist im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt

Sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte:

Die Arbeitsgerichte beschäftigen sich mit der Anwendung und Auslegung des Arbeitsrechts und dessen Fortbildung durch richterliche Rechtsprechung. So ist z.B. das überwiegend unkodifizierte „Arbeitskampfrecht“ ein Produkt der richterlichen Tätigkeit.

Zuständig sind die Arbeitsgerichte für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit einem Arbeitsrechtsverhältnis, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, §§ 2 ff. ArbG. Insofern sind sie z.B. auch zuständig für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Verhältnis von Arbeitgeber und -nehmer bzw. der Arbeitnehmer untereinander, soweit die Ansprüche durch die berufliche Tätigkeit bzw. Zusammenarbeit begründet sind.

Des Weiteren entscheiden die Arbeitsgerichte über zahlreiche Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungs-, Mitbestimmungsergänzungs- und Drittelbeteiligungsgesetz, dem 9. Sozialgesetzbuch und vieles mehr.

Örtliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte:

Wird im Urteilsverfahren um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gestritten, so ist gemäß der §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 29 ZPO grds. das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Gebiet die Arbeitsleistung erbracht wird. Für Klagen gegen den Arbeitgeber ist dann das Gericht örtlich zuständig, in dessen Gebiet dieser niedergelassen ist, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 21 ZPO.

Im Beschlussverfahren richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 82 ArbGG. Zuständig ist daher das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb liegt oder in dessen Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat.

Verfahrensziel:

Ziel des Verfahrens ist grds. ein gerichtlicher Titel. Die Arbeitsgereichte entscheiden durch Urteil (§ 2 ArbGG) oder Beschluss (§ 2a ArbGG), abhängig vom jeweiligen Streitgegenstand. Ein arbeitsrechtlicher Rechtsstreit kann aber schon im Rahmen eines Güteverfahrens entschieden werden. Die Parteien können also ggf. vereinbaren, dass sie sich erst an eine Gütestelle wenden, bevor sie ein Arbeitsgerichtsverfahren einleiten. Durch diese gütliche Einigung werden die Beteiligten des Rechtsstreits gebunden, sofern sie bei Abschluss der Vereinbarung nicht von unrichtigen Tatsachen ausgingen.

Allerdings können Tarifvertragsparteien einen Schiedsvertrag abschließen, der in bestimmten Fällen ein Urteil ersetzt (sog. Schiedsgerichtsbarkeit). Auch kann ein Gericht an ein Schiedsgutachten gebunden sein. Schließlich gibt es seltene Fälle, in denen eine betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle eine verbindliche Entscheidung treffen kann.

Statthafte Verfahrensart:

Zu unterscheiden sind das Urteils- (§§ 46 ff. ArbGG) und Beschlussverfahren (§§ 80 ff. ArbGG). Es ist Sache des Klägers bzw. Antragsstellers, das richtige Verfahren zu wählen, auch wenn es im Falle einer Fehlwahl zu einer Überleitung des Verfahrens in die richtige Verfahrensart kommt. Da hierdurch jedoch zusätzliche Kosten entstehen, ist es ratsam, sich zunächst an einen Anwalt zu wenden.

Das Urteilsverfahren beginnt mit der Klageerhebung und ist nur in den in § 2 ArbGG aufgezählten Fällen statthaft. Allerdings kann ein rechtlicher oder unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang zu einem bereits anhängigen oder anhängig werdenden Rechtsstreit, für den die Arbeitsgerichte zuständig sind, genügen, um die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts in weiteren Fragen zu begründen, § 2 Abs. 3 ArbGG. Das Urteilsverfahren ist durch die sog. „Parteiherrschaft“ gekennzeichnet. Kläger und Beklagter sind somit die Herren des Verfahrens und beeinflussen entscheidend dessen Verlauf.

Das Beschlussverfahren ist andererseits in den Fällen des § 2a ArbGG statthaft. Es berührt, anders als die Gegenstände des Urteilsverfahrens, grds. auch öffentliche Belange oder Interessen Dritter. Aus diesem Grunde wird das Beschlussverfahren auch nicht durch Parteiherrschaft, sondern durch den Amtsermittlungsgrundsatz des § 83 Abs. 1 ArbGG, geprägt. Das bedeutet, dass das Gericht den Sachverhalt selbstständig ermittelt, während den Beteiligten nur Mitwirkungspflichten zukommen. Eingeleitet wird das Verfahren durch die Stellung eines Antrags. Es gibt zwei Arten des Beschlussverfahrens: Wird um betriebsverfassungs- und mitbestimmungsrechtliche Fragen gestritten, kommt es zu einem allgemeinen Beschlussverfahren. Ein besonderes Beschlussverfahren wird durchgeführt, wenn um die Besetzung der Einigungsstelle oder die Tariffähig- und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung gestritten wird.

Für beide Verfahrensarten gilt der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG, sodass die Gerichte möglichst rasch handeln sollen.

Der Verfahrensablauf:

Auch hier zu differenzieren.

Das Urteilsverfahren beginnt mit dem Zugang der Klage beim Gericht. Der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer bestimmt einen Termin für die durchzuführende Güteverhandlung, an der die Beisitzer (s.o.) nicht teilnehmen. Diese Verhandlung soll eine gütliche Einigung der Parteien fördern, § 54 Abs. 1 S. 1 ArbGG, und ist daher keine streitige Verhandlung, kann diese aber vorbereiten. In ihr wird der gesamte Sachverhalt erläutert, während die Parteien (noch) keine Anträge stellen können. Dies ist erst in der streitigen Verhandlungen möglich, in die die Güteverhandlung gemäß § 54 Abs. 4 ArbGG übergeht, wenn keine Einigung gefunden wurde. Mangels Anwesenheit der Beisitzer findet diese jedoch regelmäßig zu einem anderen Termin statt, sofern die Parteien nicht einvernehmlich eine Entscheidung durch den Einzelrichter beantragen (vgl. § 55 Abs. 3 ArbGG). Die streitige Verhandlung soll möglichst in einem einzigen Termin stattfinden, §§ 56, 57 ArbGG. Bei Abwesenheit einer Partei im Güteverfahren gilt ebenfalls § 54 Abs. 4 ArbGG und es kann ein Versäumnisurteil zugunsten der anwesenden Partei ergehen, welches durch Einspruch gemäß § 59 ArbGG) angegriffen werden kann. Sind beide Parteien in der Güteverhandlung abwesend, ruht das Verfahren (§ 54 Abs. 5 ArbGG). Das Verfahren endet mit einem Urteil, das möglichst zeitnah verkündet werden soll, vgl. § 60 ArbGG. Es ist, auch ohne besondere Anordnung, vorläufig vollstreckbar, § 62 I ArbGG.

Das Beschlussverfahren ist dem Urteilsverfahren weitgehend angepasst. Es beginnt mit der Antragstellung gemäß § 81 ArbGG. Eine Güteverhandlung kann angesetzt werden, ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 ArbGG aber nicht zwingender Verfahrensbestandteil. Auch gibt es keine streitige Verhandlung, sondern einen sog. Erörterungstermin, in dem alle Beteiligten zu hören sind (§ 83 Abs. 3 und 4 ArbGG). Das Verfahren endet gemäß § 84 ArbGG durch Beschluss, der ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Betrifft das Verfahren eine vermögensrechtliche Streitigkeit, ist der Beschluss nach Maßgabe des § 85 Abs. 1 Satz 2 ArbGG vorläufig vollstreckbar.

Die Verhandlungen beider Verfahrensarten erfolgen grds. öffentlich, §§ 52 Abs. 1, 80 Abs. 2 ArbGG. Urteil und Beschluss müssen gemäß § 9 Abs. 5 ArbGG jeweils eine Rechtsmittelbelehrung beinhalten.

Rechtsmittel:

Die (Bezeichnung der) Rechtsmittel variiert abhängig davon, ob man gegen einen Beschluss oder ein Urteil vorgehen möchte.

Gegen ein erstinstanzliches Urteil kann nach Maßgabe der §§ 64 ff. ArbGG vor dem Landesarbeitsgericht binnen eines Monats Berufung eingelegt werden, falls keine sofortige Beschwerde gemäß § 78 ArbGG möglich ist. Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts ist die Revision durch das BAG das statthafte Rechtsmittel, §§ 72 ff. ArbGG. Sie ist binnen eines Monats einzulegen und mit der Verletzung einer Rechtsnorm zu begründen (§§ 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 ArbGG). Gegen die Nichtzulassung kann der Betroffene im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde vorgehen, § 72a ArbGG. Schließlich kann eine Prozesspartei die Anhörungsrüge des § 78a ArbGG erheben, wenn ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt wurde.

Gegen einen arbeitsgerichtlichen Beschluss kann eine Beschwerde zum Landesarbeitsgericht erhoben werden, §§ 87 ff. ArbGG. Als letzte Instanz entscheidet das BAG im Wege eines sog. Rechtsbeschwerdeverfahrens, falls dieses Rechtsmittel vom Landesarbeitsgericht zugelassen wurde. Wurde durch den Beschluss das Verfahren nicht beendet, so ist stattdessen ein Beschwerdeverfahren i. S. d. §§ 83 Abs. 5, 78 ArbGG durchzuführen.

Verfahrenskosten:

Gemäß § 2 Abs. 2 GKG werden bei den Arbeitsgerichten keine Kosten erhoben. Im ersten Rechtszug des Urteilsverfahrens trägt auch jede Partei ihre Anwaltskosten selbst, § 12a Abs. 1 ArbGG. Erst aber der zweiten Instanz gilt der Grundsatz, dass derjenige, der verliert, zahlt. Im Beschlussverfahren besteht die Besonderheit, dass ein beteiligter Betriebsrat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber verlangen kann, die Anwaltskosten zu übernehmen.

Verfahrensbeteiligung:

Im Urteilsverfahren spricht man von Kläger und Beklagtem, im Beschlussverfahren von Antragssteller und Antragsgegner. Auch ansonsten bestehen Unterschiede:

Die Beteiligung am Urteilsverfahren setzt die Partei- und Prozessfähigkeit im Sinne der §§ 50 ff. ZPO voraus. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (natürliche und juristische Personen, Personengesamtheiten). Zusätzlich sind auch Gewerkschaften, Arbeitgeber- und ihre jeweiligen Dachverbände parteifähig (§ 10 ArbGG). Die Prozessfähigkeit setzt demgegenüber voraus, dass jemand geschäftsfähig (s. §§ 104 ff. BGB) ist. Dies ist bei Volljährigen regelmäßig der Fall, während Minderjährige von ihren gesetzlichen Stellvertretern vertreten werden müssen. Besonderheiten ergeben sich, wenn der Minderjährige dazu ermächtigt wurde, ein Arbeitsverhältnis – nicht Ausbildungsverhältnis! – einzugehen oder ein Erwerbsgeschäft zu betreiben, §§ 112, 113 BGB. Juristische Personen und Personengesamtheiten sind nicht prozessfähig und sind durch ihre gesetzlichen Vertreter (z.B. Vorstand, Geschäftsführer, Gesellschafter) vor Gericht zu vertreten. Beide Prozessparteien können sich gemäß § 11 ArbGG vertreten lassen, und zwar auch durch Gewerkschafts- oder Arbeitgebervereinigungsvertreter, § 11 Abs. 1 ArbGG. Vor dem BAG besteht jedoch Anwaltszwang, sodass sich die Verfahrensparteien zwingend von einem Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, § 11 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Vertretungsberechtigt ist jeder Anwalt, der bei einem deutschen Gericht zugelassen ist. Vor dem Landesarbeitsgericht herrscht grds. ebenfalls Anwaltszwang, allerdings ist auch eine Vertretung durch Gewerkschafts- und Arbeitgebervereinigungsvertreter zulässig, § 11 Abs. 2 S. 2 ArbGG.

Gemäß § 80 Abs. 2 gilt das beim Urteilsverfahren zu Prozessfähigkeit und -vertretung Gesagte für das Beschlussverfahren entsprechend. Allerdings spricht man nicht von Prozessparteien, sondern von Beteiligten. Dennoch gilt: Wer parteifähig ist, ist zugleich auch beteiligtenfähig. Gemäß § 10 ArbGG sind auch der Betriebsrat sowie sonstige Einrichtungen des Betriebsverfassungsgesetzes beteiligtenfähig. Neben Antragssteller und -gegner können weitere Personen am Beschlussverfahren beteiligt sein, sofern sie beteiligungsbefugt sind. Dies voraus, dass eine Person durch die zu erwartende Entscheidung in ihren Rechtspositionen betroffen sein kann.

Beiordnung eines Rechtsanwalts und Prozesskostenhilfe:

Ein Rechtsanwalt ist gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG einer Partei beizuordnen, wenn auch die andere Partei anwaltlich vertreten ist und die betroffene Partei die Prozesskosten nicht ohne Gefährdung des notwendigen Unterhalts für sich und ihre Familie tilgen kann. Die Beiordnung unterbleibt, wenn sie nicht erforderlich ist oder jemand „mutwillig“ ein Verfahren bestreiten will (§ 11a Abs. 2 ArbGG). Dies bedeutet, dass die betroffene Partei zwar keine Anwalts-, dafür aber sonstige Verfahrenskosten im Falle des Unterliegens zu tragen hat.

Nach den §§ 11a Abs. 3 ArbGG, 114 ff. ZPO kann aber vollständige Prozesskostenhilfe (PKH) oder jedenfalls Ratenzahlung beantragt werden. Dies setzt neben der Bedürftigkeit der betroffenen Partei aber voraus, dass die Klage bzw. Verteidigung Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erfolgt. Auch im Beschlussverfahren kann Prozesskostenhilfe beantragt werden.

Darlegungs- und Beweislasten:

Klagt ein Arbeitnehmer vor den Arbeitsgerichten, muss er seine Arbeitnehmereigenschaft darlegen und beweisen. Dabei ist zu beachten, dass nach § 5 ArbGG ein modifizierter Arbeitnehmerbegriff gilt, der neben Arbeitern und Angestellten auch Auszubildende, in Heimarbeit Beschäftigte und arbeitnehmerähnliche Personen erfasst, ggf. auch Handelsvertreter. Beamte und alleinvertretungsberechtigte Personen bzw. Mitglieder von Vertretungsorganen juristischer Personen oder Personengesamtheiten (OHG, KG, GmbH, AG…) sind demgegenüber keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes.